Mittwoch, 30. November 2011

Von Mausoleen und Grabkapellen auf deutschen Stadtfriedhöfen im 19. Jahrhundert am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns. Bestandsaufnahme – Würdigung – denkmalpflegerische Konzepte

Unter diesem Titel ist vor Kurzem die Dissertation von Anja Kretschmer fertig geworden, die bei Prof. Norbert Fischer in Hamburg verteidigt wurde. Ich habe die Autorin gebeten, ihre Arbeit hier kurz vorzustellen, und danke ihr für den folgenden Beitrag. Im übrigen wird sie zu ihrer Doktorarbeit am 11.1. 2012 um 19 Uhr im Landesamt für Kultur und Denkmalpflege in Schwerin referieren, sowie am 6.3. 2012 um 19 Uhr im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald (mit Schwerpunkt Greifswalder Alter Friedhof).


Grabkapelle Demmler auf dem Alten Friedhof in Schwerin
(Foto Leisner)
Bisher fand die Friedhofsdenkmalpflege sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Denkmalpflege und Kunstgeschichte nur wenig Beachtung, obwohl die Begräbnisplätze anschauliche Geschichtsdenkmäler der Stadt und der Sepulkralkultur sind, ein einmaliges Archiv der Genealogie darstellen und die jeweilige regionale Baukultur veranschaulichen.

Die städtischen Friedhöfe in Mecklenburg und Vorpommern besitzen eine beträchtliche Anzahl an Grabkapellen und Mausoleen, die sich größtenteils in einem sehr desolaten und stark gefährdeten Zustand befinden. Mecklenburg-Vorpommern ist das einzige Bundesland neben Berlin, das über so viele Grabgebäude verfügt und wahrscheinlich auch das einzige, das bereits Unmengen davon verloren hat, was die Wichtigkeit dieser Dissertation erklärt. Das Interesse an der Entstehungsgeschichte, die Erstellung einer exakten Dokumentation und das Streben um Erhalt in Form von neuen Nutzungskonzepten bildeten dabei die Grundlage.

Mittels der Gründungsdaten lässt sich ein genauer Zeitraum für die Errichtung dieser Bauten festlegen – das 19. Jahrhundert. Um zu verstehen, warum  dieser Bautyp überwiegend in diesem Jahrhundert entstand, muss man die Friedhofsentwicklung betrachten.

Im Mittelalter war es aufgrund der Angst vor dem Jüngsten Gericht und dem Wunsch nach Seelenheil üblich, sich in unmittelbarer Nähe der Kirche bestatten zu lassen. Vorrangig Geistlichen und Adligen war es gestattet sich in der Kirche, im Chor oder später auch in eigens dafür errichteten Seitenkapellen eine Familiengrabstätte zu errichten. Das übrige Volk wurde auf dem umliegenden Kirchhof meist namenlos und ohne jeglichen Grabschmuck beigesetzt.

Dadurch dass die Kirchhöfe klein, die Sterblichkeit aufgrund von Epidemien, fehlender hygienischer Aufklärung und medizinischer Entwicklung jedoch sehr groß war, wurden sogenannte Beinhäuser errichtet. Diese dienten der Aufbewahrung der sterblichen Überreste, um eine schnellere Wiederbelegung der Gräber zu gewährleisten. –

Zu Beginn des 19. Jh. stießen die räumlichen Möglichkeiten und hygienischen Bedingungen an ihre Grenzen. Es wurde von übelriechenden Ausdünstungen und Verunreinigungen des Grundwassers berichtet. Frankreich und Österreich bestimmten als erste europäische Länder die Verlegung der Kirchhöfe vor die Stadt, die auch maßgeblich für Deutschland wurden. Bei der Neugestaltung wurde nicht nur auf die Verlagerung vor die Stadttore geachtet, sondern auch auf die Windrichtung und Höhenlage, um die Stadt vor weiteren "Leichgerüchen" zu schützen. Außerdem wurden längere Ruhefristen gefordert, da aufgrund der Überbelegung der Kirchhöfe teilweise halbverweste Leichen ausgegraben und in die Beinhäuser geschafft wurden.

Mit der Neuanlegung wurden gleichzeitig genau definierte Plätze zur Erbauung von massiven Erbbegräbnisstätten festgelegt, die sich zumeist an der Friedhofsmauer befanden. Diejenigen, die ihre Familiengrabstätten in den Kirchen verloren hatten, bekamen als Entschädigung eine ebenso große Grabstätte auf dem Friedhof mit der Option, diese mit dem Bau eines Mausoleums oder einer Grabkapelle zu versehen.
Andere Ursachen für die Errichtung derartiger Bauten - vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts - waren steigendes Repräsentationsbedürfnis und Prestigedenken innerhalb des erstarkten Bürgertums. Gerade  Kaufleute und Handwerker gelangten - oftmals einhergehend mit dem Wirtschaftswachstum - zu  mehr Ansehen und Wohlstand, den sie gern nach Außen zeigten, indem sie sich ein bleibendes Denkmal gleich dem Adel setzten.

Um die Bedeutsamkeit derartiger Bauten auf Stadtfriedhöfen zu verstehen, muss man bedenken, dass seit dem frühen 18. Jh. Mausoleen nur für die Oberschicht bestimmt waren und vorrangig in Schlossanlagen und Gutsparks erbaut wurden. 


Anja Kretschmer, Greifswald