Mittwoch, 17. Juni 2015

Tagungsbericht "Historische Friedhöfe"

Diese Tagung war - wenn ich das als Mitorganisatorin sagen darf - sehr erfolgreich. Es gab über 100 Anmeldungen, so dass die Letzten sogar nicht mehr berücksichtigt werden konnten. Wer schon einmal in Sepulkralmuseum in Kassel eine Tagung mitgemacht hat, erinnert sich vielleicht, dass die Lichtverhältnisse für Projektionen dort nicht günstig sind, um es wohlwollend auszudrücken. Diesmal aber stand die Leinwand besser zum Licht und ein neuer, stärkerer Beamer ließ die Bilder deutlich hervortreten. Und das Wichtigste: Die Mischung von Vortragenden und Teilnehmern war interessant. An beiden Tagen kamen Menschen zusammen, die aus ganz verschiedenen Gründen an der Erhaltung historischer Friedhöfe interessiert waren. Sie kamen sowohl aus der Denkmalpflege, wie aus den Friedhofsverwaltungen, aus dem bürgerschaftlichen Engagement, der Gartenarchitektur und der Wissenschaft und diskutieren nach den Vorträgen lebhaft. Natürlich war der Tenor nicht zu überhören, dass es bei der Erhaltung historischer Friedhöfe und ihrer Grabmale meistens am Geld mangelt. Aber zugleich wurden viele Ideen und Prasxiserfahrungen über den erfolgreichen Einsatz für dieses Kulturgut vorgeführt und ausgetauscht.

Ich versuche einmal kurz zusammenzufassen, worum es in den Vorträgen so ungefähr ging und hangele mich dabei an dem Programm entlang, dass der Ankündigung fast vollständig entsprach.

Neuer Begräbnisplatz Dessau, Friedhofsportal,
Zustand 2007, zur Zeit ist der Putz abgeschlagen
und die Figuren sind entfernt. Wann und ob die Restaurierung
fertig gestellt wird, ist nicht bekannt (aus Wikipedia
CC BY-SA 3.0 Hochgeladen von M H.DE Erstellt: 2. April 2007
In seiner Begrüßung führte Prof. Reiner Sörries vom Kasseler Sepulkralmuseum in das Thema der Tagung ein, indem er auf die Bedeutung der Toranlagen historischer Friedhöfe hinwies und dabei besonders die stückweise Restaurierung des Torgebäudes von Dessau bemängelte, immerhin eine der bedeutendsten deutschen Friedhofsanlagen. Seine Bilder zeigten den traurigen Zustand dieses Gebäudes, das zwar von seinem schädlichen Verputz befreit worden ist, dem aber jeglicher Figurenschmuck fehlt, dessen Inschriften kaum lesbar sind und dessen Nebengebäude verrotten. Mit dem Bild eines Engels auf einem Türgriff, dem die Worte "Gehet in Frieden" eingeschrieben waren, wünschte er dann der Tagung gutes Gelingen.

Dr. Inge Gotzmann vom BHU moderierte den ersten Vortragsblock, der mit "Engagement und Umgang mit historischen Friedhöfen" überschrieben war.

In seiner Keynote über den Friedhof in der Landschaft definierte Prof. Hansjörg Küster die Grundlagen der Friedhöfe als stets vom Ort und von der Religion bestimmt, während er den Begriff "Landschaft" mit den drei Aspekten "Natur", "Kultur" und "Idee" verband. Natur steht für das, was wächst und vergeht, und Kultur für das, was der Mensch in der Natur und als Teil der Natur erschafft, während Idee als die zugrundelegende Vorstellung gedacht ist.
Eva im Garten Eden (Wikipedia CC BY-SA 3.0 File:Bad 
Schussenried Wallfahrtskirche Steinhausen Innen 
Deckenfresko 3.JPG Hochgeladen von Zairon
Erstellt: 11. Oktober 2009 
Bildlich untermalte Küster diese Aussagen unter anderem mit dem Hünenbett von Klecken, sowie dem Plan einer Gräbersetzung, in dem die Ausrichtung der Gräber unterschiedlich ist, so dass man erkennen kann, wie mit der Drehung der Grablage von Norden nach Osten das Christentum mit seiner Ausrichtung nach Jerusalem und damit auf den Ort der Auferstehung Christi einsetzte. Diese Ausrichtung findet sich ja auf fast allen christlichen Kirchhöfen, bei denen die Kirche den materiellen und den geistigen Mittelpunkt der jeweiligen Anlage bildet. Als weiteren Aspekt des Friedhofs führte er das Thema Abgrenzung, Umgrenzung und Garten ein. Eindrucksvoll zeigte Küster den Unterschied zwischen wilder Natur und eingegrenzten und gestaltetem Garten an dem Deckengemälde der Barockkirche von Steinhausen, wo Landschaft zum ersten Mal in einer Kirche abgebildet ist und zwar mit der Szene von Eva im Garten Eden, der als wilde Natur gemalt ist, während seine Antithese der "Hortus conclusus" als marianischer Paradiesgarten erscheint, der von Mauern und Hecken eingefasst ist und bei dem das Wasser nicht mehr regellos zu Tal strömt, sondern in einem Brunnenstrahl gen Himmel schießt, wobei selbst die Bäume regelmäßig aufgereiht sind, in dem also eine von Menschenhand gemachte Ordnung herrscht.

In Bezug auf die Bepflanzung von Friedhöfen ging Küster besonders auf die Esche und die Linde ein. Anhand der Abbildung auf einer Grabplatte aus dem 12./13. Jahrhundert (Dorfkirche von Liiva auf Muhu in Estland), auf der ein Mann mit einem Messer neben einer saymbolisch dargestellten Esche zu sehen ist, verwies er auf die Bedeutung der Esche als Zeichen der Unvergänglichkeit. Die Esche gehört wie die Linde zu den Bäumen, die, wenn sie beschnitten werden, immer wieder frisch ausgrünen. Natürlich denkt man dabei auch an die Weltenesche Yggdrasil. Zugleich aber kann man aus Eschenäste leicht lebende Hecken und Zäune bauen, indem ihre Äste einfach in den Boden steckt, da sie sich bewurzeln und ausschlagen. Eschen auf Friedhöfen können also sowohl für eine frühgeschichtliche Traditionslinie zum Symbol der Unvergänglichkeit wie für Schutz und Abgrenzung stehen. So zog dieser Vortrag vielfältige historische Linien zwischen dem Raum der Toten, den religiösen Ideen, die mit ihrer Bestattung zusammenhängen, und der Landschaft, in dem sich dieser gestaltete Raum befindet.

Stuttgart, Hoppenlauffriedhof, Grußeiserne Grabkreuze
(Foto Leisner 2009) 
Mit dem Vortrag von Yvonne Jaeschke M.A. aus Stuttga rückte ein besonderer historischer Friedhof in das Blickfeld, der schon lange aufgelassen ist und immer wieder die Begehrlichkeiten der Anlieger auf sich gezogen hat. Sehr eindruckvoll schilderte Frau Jaeschke, wie vom Hoppenlaufriedhof, der durch seine Grabstätten berühmter Persönlichkeiten eine besondere Bedeutung nicht nur für die Stadt hat. im Laufe der Zeit einzelne Bereiche abgeknapst und einer neuen Verwendung zugeführt wurden. Aber sie beschrieb auch, wie sich immer wieder bürgerlicher Widerstand gegen die Auflösung und Überbauung dieses historischen Kulturerbes entwickelte. So sind zwar viele Grabstätten verloren, moderne Grabmale bei der Gartenschau 1962 eingefügt und andere Grabmale durch Vandalismus zerstört worden. Dennoch ist dieser Friedhof auch heute noch ein sichtbares Zeichen der Vergangenheit der Stadt und bildet zugleich einen geschützten Ruheort für ihre Bewohner.

Dr. John Ziesemer aus München berichtete leider ohne seine Kollegin Claudia Denk über ihre gemeinsamen Forschungen zum Alten Südfriedhof. Ihre Arbeit konnte - zum ersten Mal bei einem bedeutenden historischen Friedhof - über die Grabmalaufnahme hinaus weitergeführt werden, so dass sie mit Hilfe eines Forschungsprojektes zu ausgewählten Grabmalen unterschiedliche Quellen und Archivalien untersuchen und Wissenschaftler anderer Fachdisziplinen hinzuziehen konnten. Dadurch gewannen sie ein umfassendes Bild der Geschichte dieses besonderen Friedhofes und konnten die Grabmäler teilweise ganz neu in der Sozial- und Wirtschaftgeschichte aber auch in der Kunstgeschichte der Stadt verorten. Auch den Einfluss des Königs konnten sie detailliert nachweisen. Wer tiefer in dieses Thema eindringen will, sei auf das sehr interessante und empfehlenswerte Buch der beiden Autoren "Kunst und Memoria" verwiesen, das hier schon besprochen worden ist. Und an dieser Stelle soll nicht vergessen werden, dass beide schon 2005 nach Abschluss der Inventarisation mit der Tagung "Der bürgerliche Tod" Neuland betreten haben. Unterstreichen möchte ich dabei Ziesemers Fazit, das heißt: "Man kann nur schützen, was man kennt".

Grabbau für Prof. F.C. Gundlach, Ohlsdorfer Friedhof.
mit der Abbildung seines preisgekrönten Fotos zweier
Frauenköpfe vor den Pyramiden von Gizeh
(Foto Peter Schulze 2012)
Prof. Dr. Birgit Franz und Prof. Dr. Georg Maybaum aus Hildesheim führten mit eindrucksvollen Bildern vor, wie historische Friedhöfe durch landschaftsarchitektonische Interventionen umgestaltet und dabei erheblich aufgewertet werden können; eine Aufwertung, die das Interesse der Bevölkerung und damit die Erhaltung als Bestattungsplatz nach sich zieht. An zahlreichen Beispielen zeigten sie, wie moderne Eingriffe geschichtlich gewachsenen Orten der Trauer einen neuen ästhetischen Charakter verleihen und Friedhöfe zu Aufenthaltsorten mit emotionaler Qualität werden lassen. Birgit Franz ging nach einer Einführung auf neue Grabanlagen wie Memoriamgärten und gemeinschaftliche Grabfelder auf dem Karlsruher Hauptfriedhof ein. Dabei diskutierte sie auch die Ausweisung neuer "Ewigkeitsgräber" auf diesem Friedhof mit ihren Folgen für andere Friedhöfe. An historischen Einzelgräbern wies sie auf die Möglichkeit hin mit geringen Eingriffen - wie z.B. Namenstafeln und Blumengefäßen, aber auch eine Neugestaltung der Umrandung neue Zeitschichten einzubringen. Das Beispiel des Grabmals für den Hamburger Fotografen Prof. F.C. Gundlach auf dem Ohlsdorfer Friedhof stand für die neue Entwicklung, die zur Zeit beim Bau von Mausoleen beobachtet werden kann.

Katarinaberg, Blick aus der neuen Totenkapelle auf die Ötztaler Alpen 
© 2015 Franz Maybaum (Ich danke den Autoren für die Erlaubnis 
dieses Bild zu veröffentlichen)
Neue Zeitschichten stellte auch Georg Maybaum im zweiten Teil des Vortrags vor, indem er landschaftsgestalterische und nutzungstechnische Gestaltungsmomente auf historischen Friedhofsanlagen zeigte, die zu Gegenmodellen der wachsenden Nachfrage nach alternativen Bestattungsangeboten und besonderen Inszenierungen werden können. Bei seinen Beispielen handelte es sich um an die ursprüngliche Gestaltung angepasste Eingriffe: zum Beispiel neue Bruchsteinmauern auf dem Friedhof Jenesien in Südtirol; Wände in Lehmbauweise in Wil in der Schweiz, durch die große Friedhofsflächen in kleinere Räume geteilt werden; sowie die Neugestaltung von Eingangsbereichen, Kreuzwegen und Abschiedsräumen, deren eindruckvollstes Beispiel für mich die Umgestaltung des Katharinaberges (Schnalstal, Südtirol) ist.

Nach der Mittagspause, moderierte ich den zweiten Block, in dem die Vermittlung und damit die Frage, wie man andere für die Erhaltung historischer Friedhöfe interessiert und vielleicht sogar begeistert, im Zentrum stand.

Niels Biewer, Nutzung historischer 
Friedhöfe. Denkmale im 
öffentlichen Leben 
Als erstes konnte ich Dipl. Ing. Niels Biewer aus Osnabrück vorstellen, über dessen Engagement für den Hase- und Johannisfriedhof an dieser Stelle schon mehrfach berichtet wurde (Der Link führt zur Liste der Posts in diesem Blog). Gerade ist seine Arbeit in den Kasseler Studien zur Sepulkralkultur als Band 21 veröffentlicht worden. Ich werde sie demnächst hier noch einmal vorstellen. In seinem Vortrag fasste Biewer knapp zusammen, mit welchen Mitteln in Osnabrück versucht worden ist, die beiden historischen Friedhöfe mit neuem Leben zu erfüllen. Inzwischen steht im Raum, dass sie möglicherweise sogar für die Stadt als Bestattungsort erhalten bleiben können, obwohl sie Ende dieses Jahres endwidmet werden sollen. Besonders eindrucksvoll für mich war, dass die Aktivitäten nicht mit dem Ende des Forschungsprojektes aufgehört haben. So entstand im letzten Jahr mit geringen Kosten ein "Trauerlabyrinth" auf dem Friedhof, das vom benachbarten Hospiz angeregt inzwischen als Raum genutzt wird, in dem Menschen ihre Trauer rituell gestalten und verorten können.

„Heidefriedhof Rondell“ von X-Weinzar - Eigenes Werk. 
Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons
Besonders der folgende Vortrag von Dipl. Ing. Matthias Neutzner regte dann - auch in Verbindung mit dem Bericht von Susan Donath am folgenden Tag, beide aus Dresden - lebhafte Diskussionen an, die auch in kleinerem Kreis fortgesetzt wurden. Über den Heidefriedhof in Dresden und seine besondere Bedeutung als Ort der Erinnerung an die Bombenangriffe von 1945 gibt der Film, auf den ich im vorigen Post verlinkt habe, ausführlich Auskunft. Neutzner berichtete, dass sich das Erinnerungsritual in den letzten Jahren immer mehr zur Auseinandersetzung mit Neonazis entwickelt und eine immer größere Medienöffentlichkeit gefunden hatte. So wurde an diesem Tag der Friedhof fast hermetisch abgeriegelt und vor seinen Toren sammelten sich Gegendemonstranten. Das städtisch gesteuerte Erinnerungsritual fand im Jahr 2014 zum letzten Mal statt. Zum 70. Jahrestag der Luftangriffe in diesem Jahr wurde es nicht mehr durchgeführt. Die Leerstelle, die so entstanden ist, ermöglicht nun sich über die Ausgestaltung der Anlage neu zu verständigen. Dabei führt der Weg von den bisherigen Erinnerungsritualen weg und hin zu einem Lernort, in dem die Geschichte der Stadt, des Nationalsozialismus, der DDR und ihrer Zusammenführung mit der Bundesrepublik neu thematisiert und am konkreten Ort der Trauer und der Erinnerung festzumachen ist. Wie das geschehen kann, blieb offen. Sicher wird man neue Medien miteinbeziehen müssen.

Grabmal Rübke, vormals Gerstenkorn, das erste
Patenschaftsgrab auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg
(Foto Marianne Didier 2005)
Wie die neue Medien für historische Friedhöfe genutzt werden können, demonstrierte Dipl. Ing. Christa Ringkamp mit der Friedhofs-App "Wo sie ruhen", über die ich hier (Linkliste zu den Posts auf diesem Blog) ebenfalls schon ausführlich geschrieben habe. Sie tat mir den persönlichen Gefallen das Audio mit der Geschichte von Paulinchen aus dem Struwelpeter abzuspielen. Ich finde, dass gerade diese Geschichte den Hörern zeigen kann, welcher Reichtum an unbekannten Informationen und Zusammenhängen sich auftut, wenn man sich mit historischen Friedhöfen und ihren Grabstätten auseinandersetzt anstatt ihre Grabmale achtlos abzuräumen. Ringkamp wies dabei auch darauf hin, dass die App so programmiert ist, dass sie ohne Schwierigkeiten mit weiteren Texten, Bildern und Audios aufgefüllt werden kann. Tatsächlich hat die Stiftung historische Friedhöfe, unter deren Regie die App entstanden ist, schon versucht die Finanzierung für die Aufnahme weiterer Friedhöfe einzuwerben. Doch wurden die Mittel 2015 für ein ähnliches Projekt für Denkmale vergeben, so dass erst wieder für 2016 die Hoffnung besteht weitere Bundesmittel für die Friedhofs-App zu erhalten. Betont wurde, dass historische Friedhöfe, die selbst die Kosten für die Erstellung des entsprechenden Materials übernehmen wollen, sich gern an das Büro HORTEC wenden können. Die Bedingungen können dann im persönlichen Gespräch ausgehandelt werden.

Damit war meine Moderation zu Ende und Rainer Sörries übernahm den folgenden dritten Block mit der Überschrift "Planung und Entwicklung".

Dr. Ing. Martin Venne, Plaungsbüro PlanRAT, aus Kassel referierte auf der Grundlage des bis 2016 laufenden DBU-Forschungsprojekt mit dem Titel „Sicherung aktiver Friedhöfe für die öffentliche Umwelt- und Gesundheitsvorsorge“ über Bewertungs- und Handlungsstrategien für denkmalgeschütze Friedhöfe. Teilergebnisse des Forschungsprojektes sind im Übrigen schon in den Kasseler Studien Band 16 nachzulesen. Eines der größten Probleme der Friedhofsdenkmalpflege ist die Finanzierung von Erhaltungsmaßnahmen. Venne klärte die Grundlagen, auf denen überhaupt Geld fließen kann. So muss ein flächendeckender Denkmalschutz ausgesprochen sein. Außerdem müssen die Nutzungsmöglichkeiten geschützter Flächen und Denkmale in die Berechnungen einbezogen und die Unterhaltungsleistungen festgestellt werden. Meistens gilt es allerdings vorrangig überhaupt die Kommunikation zwischen Friedhof und Denkmalschutzamt zu verbessern. Über diese Themen wurde im Anschluss lebhaft diskutiert und dabei wurde deutlich, dass es länderspezifisch große Unterschiede gibt. Es gibt offenbar Bundesländer, in denen die Denkmalpflege wie in Berlin relativ großzügige Zuschüsse geben kann, da sie auch über externe Mittel wie z.B. aus den Lottomitteln verfügen kann, während anderswo kaum Geld von der Denkmalpflege zu erwarten ist. Grundlage für solche Mittel müssen natürlich begründete Bewertungs- und Handlungsstrategien zur Pflege, Instandhaltung und Nutzung denkmalgeschützter Friedhöfe mit aktiven Bestattungsflächen sein. Diskutiert wurde auch, dass Friedhöfe zumindestens dafür sorgen können, dass die Übernahme von Grabmalpatenschaften steuerlich absetzbar wird. Dazu muss das Grabmal für die Zeit der Patenschaft zwingend in das Eigentum des Paten übergehen, was vertraglich leicht zu regeln ist.

Während Martin Venne das Thema aus einem allgemeingültigen Blickwinkel vertiefte, stellte der freie Landschaftsarchitekt Ing. (FH) Steffen Möbius aus Erfurt, seines Vaters und ein langjähriges Engagement für den 1884 eingeweihten Friedhof in Arnstadt vor. Im Jahr 2013 wurde er dafür mit dem Landschaftarchitekturpreis Thüringen ausgezeichnet. An diesem Friedhof erläuterte er zugleich seine Vorstellungen, wie Friedhöfe zu Orten werden können, welche die Trauerarbeit unterstützen anstatt sie zu erschweren. Bildlich verdeutlichte er unter den Schlagworten "Disharmonie", "Unruhe in der Gestaltung", "fehlende Vegetation" und zu große "Räume" Erscheinungen, die er als Grund für Desinteresse und die Abwanderung von den Friedhöfen als Bestattungsorten ansieht. Dagegen setzte er die Idee von Friedhöfen als Orten der Hoffnung, deren Erscheinungsbild von Ruhe, Harmonie, Grün und einer Ausstattung geprägt ist, die zum Verweilen einlädt. Mehrfach betonte er dabei seine Auffassung, dass Friedhöfe die - mehr oder weniger einzige - Aufgabe haben für die zugehörige Gemeinde einen angemessenen und würdigen Bestattungsplatz vorzuhalten. Seine barrierrefreie Grabfeldgestaltung in Arnstadt kann man hier sehen. Wobei über die Umstellung historischer Grabmale innerhalb des Friedhofs die Meinungen hinterher durchaus geteilt waren.

Der zweite Tag begann mit dem Block "Jüdische Friedhöfe", den ebenfalls Rainer Sörries moderierte.

Archivoberrat i. R. Dr. Harmut Heinemann hat über 25 Jahre ein Projekt der „Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen“ betreut, durch das rund 75 historische Friedhöfe mit 17.000 Grabinschriften erfasst wurden. Die Ergebnisse sind über das „Landesgeschichtliche Informationssystem Hessen (LAGIS)“ abrufbar. Thematisch widmete sich Heinemann besonders den Sammelfriedhöfen. Anhand einer Karte zeigte er ihre Lage und veranschaulichte einzelne Familiennamen mit den Grabmalsymbolen. Am Beispiel von Alsbach - dort liegt der größte jüdische Landfriedhof in Hessen - wies er auf die Bedeutung der Lage der Grabstätten hin. Die Forschungen konnten nachweisen, dass im Kindbett verstorbene Frauen in einen eigenen Bereich bestattet wurden, ebenso wie Unverheiratete, die wahrscheinlich in einem nahegelegenen "Irrenhaus" verstorben waren. Wie auf christlichen Friedhöfen liegen auch die Kindergräber an einer besonderen Stelle. In der Diskussion wurde die Frage nach Grabstätten sowjetischer Zwangsarbeiter auf jüdischen Friedhöfen gestellt. Tatsächlich hat es solche Bestattungen gegeben, die als Friedhofsschändung während des Nationalsozialismus zu sehen sind.

Anke Geißler M.A. aus Potsdam von der Vereinigung für jüdische Studien e.V. berichtete von der Lage der Juden in Brandenburg, die unter dem Schutz der Hohenzollern standen. Auch in Brandenburg gab es wie in Hessen Sammelfriedhöfe, zu denen Juden aus den umliegenden Ortschaften ihre Toten brachten. Erhalten sind 76 Friedhöfe von unterschiedlicher Größe und zu einem großen Teil ohne Grabsteine. Dabei gehört der jüdische Friedhof in Potsdam mit zum Weltkulturerbe und ist damit bisher der einzige jüdische Friedhof in Deutschland, der diesen Status besitzt. Problematisch ist, dass er von den neu hinzugezogenen russischen Juden genutzt wird, die mit ihren Grabmalen ungewohnte kulturelle Akzente setzen. Seine Grabmalinschriften sind zwar erfasst und digitalisiert, aber nicht im Internet einzusehen, obwohl in der entsprechenden Datenbank andere Friedhöfe offen zugänglich sind (http://www.uni-potsdam.de/juedische-friedhoefe/). Diskutiert wurde über den Weltkulturerbeantrag: Der Jüdische Friedhof an der Königstraße in Altona stellt gerade einen Antrag darauf, während der jüdische Friedhof Weißensee seinen Antrag zurückgezogen hat und jetzt zusammen mit den entsprechenden Friedhöfen in Warschau und Lodz einen neuen Anlauf nehmen will.

Prof. Dr. Norbert Fischer übernahm die Moderation der letzten beiden Tagungsblöcke, in denen es zuerst um Kriegsfriedhöfe und dann um Grüfte ging.

Juliane Hummel von der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten referierte über "Sowjetische Kriegsgefangenenfriedhöfe des Zweiten Weltkrieges in der Lüneburger Heide" und zeigte in ihren Bildern, unter welchen fürchterlichen Bedingungen sowjetische Kriegsgefangene in der Lüneburger Heide leben mussten, starben und in Gruben beerdigt wurden. Dabei wurden die Toten registriert. Diese Akten gelangten nach dem Krieg nach Russland. Die Grabstätten in Bergen-Belsen, Wiezendorf und Oerbke wurden schon bald nach dem Krieg von der sowjetischer Seite künstlerisch ausgestaltet; eine Ausgestaltung, von der heute fast nichts mehr übrig ist. Mithilfe des Volksbundes wurden die Gräber in den 60er Jahren umgestaltet. Erst seitdem die Akten seit Kurzen öffentlich zugänglich sind, kommen Angehörige aus Russland um die Gräber ihrer Verstorbenen zu besuchen und zu trauern. Ihre Betreuung liegt noch ganz in privater Hand einiger Weniger. Gleichzeitig hat die Aufhebung der Anonymität der Toten zu neuen Impulsen in der Bildungsarbeit geführt. So gestalten Schüler Namenstafeln aus Ton, die an den Gräbern aufgereiht werden. Thematisiert wurde in der Diskussion, dass diese Tafeln nicht sehr haltbar und optisch nicht vorteilhaft angebracht sind, zugleich aber auch das Problem besteht, dass die Friedhöfe "janz weit draußen" liegen und damit fast unerreichbar sind und dass zwar für ihre Pflege Geld vorhanden ist, eine Neugestaltung, die vor Ort jedes einzelne Grab wieder erfahrbar macht, aber in weiter Ferne liegt.

Susan Donath, freischaffende Bildhauerin und Kuratorin aus Dresden stellte den Sowjetischen Garnisonsfriedhof in Dresden vor, der in diesem Blog auch schon Thema war. 2014 hat sich dort der Verein "Denk Mal Fort! e.V." gegründet, der sich dafür einsetzt, dass der Nordflügel der historischen Friedhofsanlage in seiner bisherigen Form erhalten bleibt. Nach der Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Anlage und ihrer Ausgestaltung, wurde das Problem diskutiert, dass der umstrittene Nordflügel anscheinend keine Kriegsgräber enthält und damit nicht unter dem Schutz des entsprechenden Gesetzes steht. Allerdings ist auch nicht erforscht, wer tatsächlich dort genau begraben ist. Die Fronten zwischen jenen, die die Anlage in ihrer bisherigen baulichen Form erhalten wollen, und dem Landesbetrieb, der die Pflege vereinfachen will, wirken leider sehr festgefahren.

Mausoleum Hoefele auf dem Ohlsdorfer
Friedhof in Hamburg vor der Restaurierung
(Foto Leisner 1990er Jahre)
Einen ganz anderen, aber nicht zu vernachlässigenden Aspekt sprachen die beiden letzten Vorträge zum Thema Gruft an. Dr. Andreas Ströbl von der Forschungsstelle Gruft steckte die Möglichkeiten ab, die Eigentümer im Umgang mit Grüften haben und belegte diese Möglichkeiten mit eindrucksvollen Bildern. Das Verschütten stand am Anfang und führt natürlich zum Verlust, wenn vorher keine Dokumentation der Särge stattgefunden hat. Das Ausräumen, wie auf dem St. Wiperti-Kirchhof in Quedlinburg geschehen, hat zur Folge, dass sämtliche historischen Belege unwiderbringlich vernichtet worden sind. Aber Ströbl zeigte, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, schonend und pietätvoll mit den Grablegen früherer Zeiten umzugehen, in deren oftmals kostbar ausgestalteten Särgen, der Kleidung der Toten und ihren Überresten wichtige historiche Befunde erhalten sind. So zeigte er Beispiele, wie Grüfte dokumentiert und zum Bestatten für die eigene Familie würdig hergerichtet worden sind. In der Gruft von Dornum wurde zusätzlich zur Erhaltung und Restaurierung auch die Besichtigung ermöglicht und in der Krypta beziehungsweise dem Gruftkeller der St. Michaeliskirche in Hamburg, den die Forschungstelle Gruft intensiv erforscht hat, informiert eine Ausstellung über das hier erhaltene historische Erbe. Neben einer Fülle von durchgeführten Erhaltungsmaßnahmen verschwieg der Referent aber auch die Problemfälle nicht, wenn zum Beispiel Grüfte dadurch feucht geworden sind, weil die Belüftungsöffnungen vermauert wurden, oder sogar unter Wasser stehen. Mit dem Hinweis auf das Buch "Grüfte retten!" schloss der Vortrag.

Der Michaelergruft in Wien widmete sich zum Schluss der Vortrag von Mag. Oskar Terš aus Wien, der sich für die Erforschung und Erhaltung dieser Gruft engagiert. Er zeigte, wie im Laufe der Zeit immer mehr Grufträume unter dem Kirchenboden ausgebaut und miteinander verbunden wurden. Erkennbar wurde auch, dass die verschiedenen Grufträume sozialhistorisch unterschiedlich belegt wurden. Auch das Thema der Mumien und ihrer Ausstellung wurde angesprochen, wobei in der Michaelergruft ein offener Sarg mit einer Mumie zu sehen ist. Allerdings stand der Sarg so, dass Besucher ihn anfassen konnten. Das wurde inzwischen geändert. Dank eines neuen Klimakonzeptes und Konservierungsmaßnahmen ist die Gruft inzwischen so gesichert, dass die 300 Jahre alten Särge und Mumien nicht mehr akut gefährdet sind.

Zum Abschluss dankte Dr. Gotzmann allen, die teilgenommen hatten, für ihr großes Interesse und den lebhaften Austausch während der Tagung und kündigte an, dass die Vorträge bis zum Ende dieses Jahres als Publikation des BHU gedruckt vorliegen und allen Teilnehmern zugeschickt werden.