Montag, 27. Dezember 2010

"Hinaus zu den stillen Gräbern" - Der Rosenheimer Friedhof 1809-2009

Buchcover (Foto Leisner, mit fr. Genehmigung
des Stadtarchiv Rosenheim)
Da ich gerade erst mitbekommen haben, dass der Friedhof von Rosenheim im letzten Jahr 200 Jahre alt geworden ist, komme ich auch erst sehr spät dazu, hier das Buch vorzustellen, das anlässlich des Jubiläums in der Reihe der "Beiträge zur Rosenheimer Stadtgeschichte" erschienen ist.

Tatsächlich beleuchtet der Band "Hinaus zu den stillen Gräbern" die Stadtgeschichte gleich von mehreren Seiten. Zuerst aber sei darauf hingewiesen, dass das schöne Zitat des Titels aus der ersten ausführlicheren Friedhofsbeschreibung von Rosa Stemplinger aus dem Jahr 1919 stammt, die im Anhang wieder abgedruckt ist. Und noch einen zweiten sehr informativen Text enthält dieser Anhang, nämlich den Abdruck des Vortrages von Pfarrer Johann v. G. Gierl aus Kiefersfelden über den "Tod im Volksleben", der im Jahr 1906 gehalten wurde. Damit enthält das Buch gleich zwei autentische Quellen, auf die im Hauptteil des Buches verwiesen und die sozusagen auf den neuesten Stand gebracht werden.

Dort wird zuerst die "Rosenheimer Friedhofsgeschichte vor 1809" und die "Entwicklungsgeschichte des Friedhofs auf dem Stöttenfeld seit 1809" vorgestellt. Damit legt der Autor Tobias Teyke eine ausführliche Friedhofsgeschichte des Ortes vor, für die er zahlreich Quellen herangezogen hat, und die auch für Leser interessant ist, die nicht in Rosenheim beheimatet sind. Denn an der Entwicklung des eher mittelstädtischen Friedhofes wird deutlich, wie weit die Ideen der Aufklärung von der Gleichheit aller Menschen im Tode in das Land hineingewirkt und auch in Rosenheim die anfängliche Friedhofsgestaltung beeinflusst haben. Auch der Hygienediskurs der Zeit um 1800 und der Versuch die Aufbahrung der Toten in Leichenhäusern durchzusetzen, lässt sich an diesem Einzelbeispiel sehr gut nachverfolgen.

Mit dem dritten Beitrag desselben Autors zu "Aspekten der Begräbniskultur" erhält man außerdem einen Einblick in die Geschichte der im sepulkralen Bereich handelnden Personen, wie den Seelnonnen und Totengräbern oder den Bruderschaftsvereinen der Stadt.


Der zweite Autor des Buches, Karl Mair, befasst sich in den beiden folgenden Beiträgen mit der Kunst- und Kulturgeschichte. So erfährt man, dass auf dem Rosenheimer Friedhof kaum Grabmale aus der Frühzeit der Belegung erhalten sind. Anders als erwartet, herrschen dort offenbar auch nicht die "typisch bayrischen" schmiedeeisernen Grabkreuze vor. Vielmehr haben die Bürger von Rosenheim in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die auch in den Großstädten verbreitete Industrieware bevorzugt und sind dann auf Grabmale im Reformstil umgeschwenkt, wie es der zweite Beitrag dieses Autors verdeutlicht, der zu einem Streifzug über den Friedhof einlädt und dabei sowohl die erhaltenen Hochbauten, als auch die Grabstätten und die Bestatteten ausführlich beschreibt.


Man bekommt aber nicht nur durch die Texte, sondern auch durch die zahlreichen Abbildungen einen guten Einblick in die Friedhofsgestaltung und Grabmalkultur, besonders da gleich am Anfang des Buches mehrere Seiten mit farbigen Abbildungen in das Thema einführen und die beiden Umschlagseiten innen mit einem genauen Friedhofsplan bedruckt sind. So ist hier eine in sich abgerundete Friedhofsgeschichte entstanden, die zum einen den Bewohnern von Rosenheim einen ganz neuen Blick auf die eigene Stadtgeschichte ermöglicht, zum anderen aber auch Friedhofsfreunden eine Einzelstudie an die Hand gibt, die die sepulkrale Geschichtsschreibung bereichert.

Karl Mair/Tobias Teyke, "Hinaus zu den stillen Gräbern". Der Rosenheimer Friedhof 1809-2009. Beiträge zur Rosenheimer Stadtgeschichte 10, Stadtarchiv Rosenheim, Rosenheim 2009, 183 S., zahlr. auch farbige Abb.,  15,00 Euro. Erhältlich beim Stadtarchiv oder in der Rosenheimer Friedhofsverwaltung.

Sonntag, 19. Dezember 2010

Der Melatenfriedhof und seine Zukunft

CD - Cover (Foto Leisner, mit fr. Genehmigung des Greven Verlag Köln)
Das Jubiläumsjahr geht zu Ende. Morgen findet die letzte öffentliche Veranstaltung dazu mit dem Vortrag von Dr. Dagmar Hänel „Stadtpunkte: Entwicklung der Kölner Friedhöfe von 1810 bis zur Gegenwart“ statt (vgl. die Festschrift zum Jubiläum). Dann wird der Friedhof wieder aus den Medien verschwinden.

Zurück bleiben die vielen erhaltenswerten Denkmäler, die - wie alles auf dieser Welt - dem "Zahn der Zeit" ausgesetzt sind. Doch die Kölner Denkmalpflege hat vorgebaut. Die Stadtkonservatorin hat ein Gutachten zum Zustand der erhaltenswerten Denkmäler des Friedhofs in Auftrag gegeben, das inzwischen als Buch mit zugehöriger CD vorliegt. In dem außen sehr schön gestalteten, leinengebundenen und hochformatigen Band wird als erstes die historische Entwicklung des Friedhofes nachgezeichnet. Nachdem sowohl auf die Beisetzungsgeschichte, wie auf die bauliche Ausgestaltung eingegangen worden ist, werden die Denkmäler in Hochbauten, Kleindenkmäler, Kriegerdenkmäler und Grabmäler ohne Nutzung untergliedert.

Nach einer Erläuterung ihrer Vorgehensweise, grenzen dann die beiden mit der Untersuchung beauftragten Autoren Marianne Vogt-Werling und Michael Werling ihr Untersuchungsgebiet ab, das sich auf die Zustandsaufnahme und Bewertung der als denkmalwert eingeschätzten Objekte auf dem Friedhof beschränkt. Darauf folgen die einzelnen Grabmaltypen des Friedhofes in ihrer geschichtlichen Entwicklung, wobei ihr Zustand nach den vorher ausgearbeiteten Kriterien eingeordnet wird. Die Autoren beziehen sich dabei auf die neueste Literatur und bieten eine auch für Untersuchungen auf anderen historischen Friedhöfen gut handhabbare Systematik der Grabmaltypen, auch wenn man über die Frage streiten könnte, welches Grabmal noch den Namen Stele verdient und welches schon als Grabwand einzuordnen wäre.

Auf der positiven Seite ziehen die Autoren das Fazit , dass "74% der Grabdenkmäler und denkmalwerten Grabanlagen sich in einem guten Zustand befinden, so dass auch mittelfristig hier keine Sanierungskosten zu erwarten sind." Die andere Seite aber ist, dass 433 Grabsteine in den nächsten zehn Jahren saniert werden müssen, um größere Kosten abzuwenden, und dass sogar 177 Denkmäler dringend restauriert werden müssen, darunter auch der wunderbare "Thanatos" auf der Grabstätte Hamm von 1818.

Ein Glossar der Grabmaltypen, sowie der symbolischen Darstellungen rundet zusammen mit einem Vertragsentwurf für die Vergabe von Patenschaften das Buch ab. Doch das ist noch nicht alles: Beigefügt ist eine CD mit dem Belegungsplan und digitalen Rundgängen zu allen denkmalwerten Gräbern, die sehr einfach zu handhaben ist, da man nur mit der Maus über die Zahlen oder Punkte in den Plänen gehen muss, um in einem Fenster auf der rechten Seite das zugehörige Bild und die entsprechenden Daten der Grabmalaufnahme und eine Beschreibung des entsprechenden Grabmals oder Objektes zu sehen. Die einzige Information, die mir dabei gefehlt hat, war die Aufnahme der Inschriften, die zwar für die Frage der Ehrhaltung nur am Rande bedeutsam ist, aber doch ein nicht unwichtiges Detail von Grabmälern bildet.

Insgesamt finde ich diesen Band, der reich mit schwarz-weiß Fotos ausgestattet ist, zusammen mit seiner CD mit ihren virtuellen Rundgängen beispielhaft und kann ihn nur als Muster für entsprechende Gutachten auf anderen historischen Friedhöfen empfehlen. Allerdings sollte man nicht erwarten hier mehr über die auf dem Melatenfriedhof beigesetzten Persönlichkeiten zu erfahren, sondern dafür andere Werke zu Rate ziehen.

Die Abbildungen hier stammen aus dem Buch, das auf den inneren Einbandseiten eine Plan der geschichtlichen Entwicklung von Melaten und den Gesamtplan zeigt, sowie von der CD.

Marianne Vogt-Werling/Michael Werling: Der Friedhof Melaten in Köln. Alle Denkmäler und ihre Zukunft. Mit einer DVD mit Belegungsplan und digitalen Rundgängen zu allen denkmalwerten Gräbern. Greven Verlag Köln 2010. 95 S., zahlr. schw-w. Abb. und CD, 15,00 Euro. ISBN 978-3-7743-0471-0 

Donnerstag, 16. Dezember 2010

Europäische Friedhofsroute zum Zweiten

Im Post vom 19.11.2010 habe ich behauptet, dass es keine Informationen im Internet zur Europäischen Friedhofsroute gibt. Ganz falsch!! Zum Glück gibt es nämlich aufmerksame Leserinnen und Leser dieses Blogs! Aus Berlin habe ich jetzt den richtigen Link bekommen und bedanke mich herzlich bei der Kirchhofsverwaltung der Zwölf-Apostel-Kirchengemeinde für den freundlichen Hinweis.

Und hier kommt der Link auf die eigene Website der Europäischen Friedhofsroute, die allerdings nur auf englisch und spanisch erschienen ist. Dafür enthält sie alles, was das Herz begehrt: eine Landkarte mit allen Orten, deren Friedhöfe dazu gehören.(Die meisten liegen übrigens in Spanien und Italien und man sieht daran, dass diese Länder sehr viel aktiver in der ASCE mitarbeiten als der Norden Europas!!). Außerdem gibt es viele schöne Friedhofsbilder, eine Beschreibung, was mit der Route bewirkt werden soll, und einen Aktionsplan für die Zeit von 2010-2012, in der die Route im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankert werden soll.


Um daran zu arbeiten findet am 13. und 14. Januar in Barcelona ein Workshop statt, an dem man auch teilnehmen kann, wenn man kein Mitglied der ASCE ist, bei der man sich dazu anmelden kann.


Also auf zu den Europäischen Friedhöfen!

Samstag, 11. Dezember 2010

"Kunst im Stillen" - Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen, Band 3

Buchcover (Foto Leisner, mit fr.
Genehmigung von Alfred E. Otto Paul)
Wie schon angekündigt, ist jetzt auch der dritte Band der als Reihe konzipierten Broschüren zu den Grabmalen auf den Leipziger Friedhöfen erschienen. Im selben Layout wie die beiden schon besprochenen Bände (vgl. Posts vom 2. Juni 21010 und 14.12.2009) erfreut auch dieser Band wieder durch sehr schöne Fotos von Grabmalen und informative Texte zu den einzelnen Grabstätten und den Persönlichkeiten, an die an dort jeweils erinnert wird. 

Darunter sind so interessante Lebensgeschichten wie die des Technikers und Industriellen Wilhelm von Pittler, der nach vielen Versuchen, im Leben Fuß zu fassen, mit einer Dampfmotorenfabrik und später mit der Maschinenfabrik "Invention" erfolgreich wurde. Dessen Werk aber dadurch, dass die Maschinenfabrik zur Aktiengesellschaft der Pittler-Werke wurde, sein Vermögen verliert und verarmt in London starb. Immerhin haben die Nachforschungen des Autors erbracht, dass es eine Geldsammelaktion deutscher Ingenieure gab, die dafür sorgten, dass der Verstorbene nach Deutchland gebracht und auf dem Kapellenfriedhof in Leipzig-Gohlis bestattet wurde.

Und hier kommt auch schon eine kritische Anmerkung: Von welchen Friedhöfen die vorgestellten Grabmale nämlich stammen, wird leider nur im "Dank" einmal kurz erwähnt, wenn es dort etwas unpräzise heißt, dass dieser Band "sich wichtigen Werken der Sepulkralkultur auf den kirchlichen Begräbnisplätzen unserer Stadt widmet". 

Nur wenn man jeden einzelnen Text gründlich liest, erkennt man, dass die am Anfang vorgestellten acht Grabmale im Stadtteil Gohlis zu finden sind. Wobei zur Verwirrung der mit Leipzig nicht vertrauten Leser beitragen dürfte, dass die Namen Friedhof der Gohliser Friedenskirchgemeinde, Gohliser Kapellenfriedhof und Friedhof der Gohliser Versöhnungskirche im Text auftauchen, aber nirgendwo erwähnt wird, ob es sich dabei um ein und denselben oder mehrere Kirchhöfe handelt.Zwar erfährt man mehrfach, dass dieser Friedhof 1858 geweiht worden ist, doch gibt es insgesamt zur Geschichte und Lage der behandelten Friedhöfe keine weiteren Information.

So muss man sich auch den Standort der darauf folgenden Grabmale aus den einzelnen Texten sozusagen erlesen: Genannt werden der kirchliche Friedhof in Lindenau mit dem Grabmal des Zeitungsverlegers Johann Friedrich Lindner, dessen Grabplastik der Verfasser aufbewahrt, die Kirche von Schönefeld - das Bild der Trauernden hier stammt von dem Grabmal des dortigen Mariannenstiftes - und der Plagwitzer Friedhof. Die Untergliederung des Inhaltsverzeichnisses wäre da sicher eine Hilfe gewesen!


Ein weiterer kritischer Kommentar sei erlaubt, der sich nicht auf die sorgfältig recherchierten Grabmalgeschichten bezieht, sondern auf den Beitrag "Zum Geleit" von Rainer Behrens, der den einzelnen Abhandlungen vorangestellt ist. Dieser Beitrag versucht die bisher fehlende geschichtliche Darstellung des Leipziger Friedhofswesens auf drei Seiten nachzuholen. Dabei macht er leider schon am Anfang den Fehler zu behaupten, dass auf den kirchlichen Friedhöfen bis zum 16. Jahrhundert "im Tode die einst Lebenden alle gleich" waren. Für diese Aussage, die durch neue Forschungen lange widerlegt ist (vgl. den Beitrag von Rainer Sörries in dem Buch "Grabkultur in Deutschland", hier besprochen am 30. Juli 2009), bezieht er sich auf die Darstellungen des Totentanzes in Kirchen und auf Friedhofsmauern, die - soweit ich informiert bin - gerade für Leipzig nicht belegt sind. Eine etwas intensivere Auseinandersetzung mit der Friedhofsgeschichte vor Ort wäre wünschenswert gewesen.

Im Übrigen wird auch dieser Band wieder beschlossen mit Abschnitten über zwei Leipziger Künstler: In diesem Fall über den Bildhauer Professor Felix Pfeifer und den Bildhauer Arthur Trebst, von denen einige Bildwerke im selben Band auch vorgestellt werden, sowie von einem Beitrag über die Rufglocke des Plagwitzer Friedhofes, deren Bild auch die Rückseite des Umschlags ziert.


Insgesamt würde ich mir wünschen, dass dem Autor ein kompetenter Lektor zur Hand gehen möchte, um die kleinen Schönheitsfehler dieses Bands beim schon angekündigten vierten Band von vorn herein auszumerzen. Dann würde es sicher auch nicht zu solchen sprachlichen Unebenheiten kommen, wie zum Beispiel bei der Tempelgrabstätte des Prof. Julius Zeitler, wo man innerhalb der ersten beiden Absätze das Wort "Tempelfassade" dreimal hintereinander lesen kann.


Abschließend aber soll dieser Band noch einmal ausdrücklich allen jenen ans Herz gelegt werden, die sich für die Grabmalkultur des 19. Jahrhunderts interessieren und einsetzen. Es werden großartige und bisher fast unbekannte Grabmalanlagen darin vorgestellt und die Informationen dazu sind mit großer Sorgfalt und Ausdauer recherchiert. Besonder positiv fällt dabei auf, dass der Autor am Schluss auch seine Quellen ausführlich benennt.

Alfred E. Otto Paul, Die Kunst im Stillen. Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen. No. 03. Leipzig 2010, 108 Seiten, zahlr. farbige Abbildungen. Die Broschüre hat leider keine ISBN-Nummer und kann nicht über den Buchhandel bezogen werden, sondern nur über die Paul-Benndorf-Gesellschaft zu Leipzig unter info@paul-benndorf-gesellschaft.de oder telefonisch unter 034297 –12305 zum Preis von ca. 9 Euro + Versandkosten.