Freitag, 28. September 2012

Auf Tod komm raus - Aus den Beständen des Museums für Sepulkralkultur

Titelseite des neuen Bestandskatalogs,
Museum für Sepulkralkultur, Kassel
(Foto Leisner, mit freundlicher Erlaubnis
der AFD in Kassel)
Das Museum für Sepulkralkultur in Kassel hat nicht nur vor Kurzem eine Jubiläumsausstellung eröffnet, sondern aus demselben Anlass schon im Frühjahr diesen Katalog herausgegeben, der es jedem erlaubt, sich Stück für Stück anzusehen, wofür dieses einzigartige Museum in Deutschland steht. Mich hat dieser Katalog in den letzten Monaten immer wieder ein Stück begleitet und erst jetzt komme ich dazu, ihn auch hier vorzustellen.  

Das Inhaltsverzeichnis gibt einen guten Überblick über den Reichtum von Alltagsgegenständen und seltenen Objekten, die in dieser Sammlung zu finden sind. Es beginnt mit Bildern vom Tod und geht weiter zum "Memento Mori", unter dem der berühmte Zinzenhauser Totentanz ebenso gründlich vorgestellt wird, wie Vanitas-Stilleben, Reliqienanhänger und zum Beispiel ein historischer Hausbalken mit der Inschrift "Hin geht die Zeit her kommt der Dodt O Mensch thue Recht und fürchte Gott". 

Darauf folgen Leichenwagen und andere Objekte, die mit dem Thema Begräbnis, Friedhof Grabmalkunst zu tun haben und unter den zum Beispiel auch die Grabmalplastik eines Galvanoengels aus dem 19. Jahrhundert zu finden ist. Weitere Kapitel sind Trauer und Erinnerung gewidmet - mit Trauerkleidung aus der Schwalm, Totenkrone und dem hier abgebildeten bemalten Totenschädel aus Süddeutschland; Krieg und gewaltsamen Tod; Kunst, Künstler und Design; fremden Kulturen und zuletzt den Kuriosa, die in diesem Museum aufbewahrt werden, darunter zum Beispiel Miniatursärge und Artikel, wie sie zu Halloween verkauft werden.  

Inhaltsverzeichnis
Die einzelnen Sammlungsgegenstände werden dabei ausführlich erläutert und sind durchgehend sehr qualitätvoll bebildert, so dass man sich einen guten Eindruck verschaffen kann - der natürlich nicht den Museumsbesuch ersetzt! 

INhaltsverzeichnis
Die Texte allerdings sind stilistisch nicht ganz einheitlich geraten und man merkt, dass hier verschiedene Autoren am Werke waren, die entweder einen eher wissenschaftlichen oder einen etwas lockeren, manchmal sogar ein wenig flapsigen Stil bevorzugt haben. 

Insgesamt aber ist dieser Katalog sowohl optisch wie inhaltlich ein gelungenes Jubiläumsgeschenk, das allen ans Herz gelegt werden kann, die sich für Kultur und Geschichte des Todes interessieren.


Dienstag, 25. September 2012

Friedhofsgipfel - Trauer und Trost im 3. Jahrtausend



Unter diesen etwas hoch gegriffenen Titel hatte die  Verbraucherinitiative Bestattungskultur - Aeternitas e.V. am 18.9.2012 in das Bestattungsforum in Ohlsdorf eingeladen. Gekommen war eine bunte Mischung aus Journalisten und Fachleuten der unterschiedlichsten Richtungen, die alle auf ihre Weise am Friedhof und seiner Zukunft interessiert waren.

Geboten wurden neben einer Führung über den Friedhof und durch das neue Bestattungsforum zwei Vorträge und eine als Überraschung angekündigte Tanzvorführung besondere Art: Dr. Felix Grützner zeigte - begleitet von Olga Dubowskaja auf einer russischen Domra - den Anwesenden nämlich seine Kunst als Lebenstänzer, mit der er auf Trauerfeiern  Angehörigen die Möglichkeit gibt auf eine ganz neue und eindringliche Weise den eigenen Verlust zu begreifen.


Frau Dr. Scherres erläutert die Grabanlage der
Familie Canel (Foto Leisner)
Vorher erläuterte Frau Prof. Gerlinde Krause von der Fachhochschule Erfurt unter dem Titel "Was ihr wollt, wie es euch gefällt" mögliche zukünftige Friedhofsentwicklungen. Zu Beginn skizzierte sie die derzeitige Lage folgendermaßen: Seit 2008 ist die Zahl der Feuerbestattungen höher als die der Erdbestattungen und dieser Trend setzt sich zur Zeit fort; seit ihrer Einführung 2001 steigt die Zahl der Wälder, in denen bestattet wird, kontinuierlich an, wobei allerdings zur Zeit ihre Zahl insgesamt nur wenige Prozente aller Bestattungen ausmacht; gleichzeitig gibt es auf den deutschen Friedhöfen geschätzte 15 000 Hektar sogenannter Überhangflächen, also Friedhofsflächen, die zwar gepflegt werden müssen, die man aber zur Zeit - und wahrscheinlich auch in Zukunft - nicht zum Bestatten benötigen wird. Zugleich verwies die Referentin auf den demografischen Wandel, der zum einen zuerst zu einer Abnahme und später zu einem Anstieg der Todesfälle führen wird, da immer mehr Menschen immer älter werden, wobei allerdings die Migration und damit die kulturellen Veränderungen noch außen vor gelassen sind.

Vortrag von Frau Prof. Dr. Krause (Foto Leisner)
Ihr Fazit aus diesen Statistiken war zum einen, dass der demografische Wandel die Landschaften verändern und ganze Dörfer aussterben werden. Zum anderen, dass Sterben alltäglich werden wird und es deshalb nötig ist die nachfolgenden Generationen mit Tod, Bestattung und Friedhof vertraut zu machen. Zugleich sieht sie in Zukunft eine noch größere Vielfalt der Lebensformen als Folge der Migration; einen Rückgang der Zahl der Ehepaare und eine Zunahme der Zahl Alleinerziehender, das heißt insgesamt eine Singularisierung der Menschen und eine neue Wertschätzung von Freunden, die zur Wahlfamilie werden. Außerdem ist damit zu rechnen, dass sich regional differenziert Armut weiter ausbreiten wird.

Was bedeutet das für den Friedhof der Zukunft, den die Referentin sowohl als Versorgungsträger wie als Wirtschaftsunternehmen und zugleich auch als "emotionalen Ort" definierte? Krause zitierte eine Bachelorarbeit, die Friedhöfe in Hamburg und Saarbrücken miteinander verglichen hat und zu dem erstaunlichen und in der anschließenden Diskussion auch in Frage gestellten Ergebnis gekommen ist, dass kleine Stadtteil-Friedhöfe von der Bevölkerung höher wertgeschätzt werden als größere parkartige Anlagen. Sie stellte dann die Möglichkeit von "Nachnutzungen" von Friedhöfen vor. Dabei erstaunte es schon, dass die Nutzung aufgelassener Friedhöfe als Park negativ bewertet wurde, obwohl sie an manchen Orten schon lange vorhanden ist - man denke an den heutigen Wohlers Park in Hamburg-Altona oder den alten nördlichen Friedhof in München, um nur zwei bekannte Beispiele zu nennen. Als weitere Nutzungsmöglichkeiten nannte die Referentin die Umwandlung in Kleingärten, Sport- und Freizeitanlagen, Ackerland, Baumschulen, Flächen zur Regenrückhaltung, Tierfriedhöfe, Entsorgungsplätze für Wohnmobile - eine Idee, die allerdings nicht favorisiert wird, Bebauungsflächen, Anlagen für alternative Energiegewinnung, Flächen für Wald- und Forstwirtschaft.

Als gravierendstes Problem der Zukunft aber stellte Prof. Krause die Friedhöfe im ländlichen Raum heraus und erläuterte das damit, dass in diesen Gegenden heute noch - aber wahrscheinlich nicht mehr lange - die regelmäßige Friedhofspflege zum Lebensstil gehört. Was aber geschieht mit diesen Friedhöfen, wenn diese Generation nicht mehr das ist? Diese Frage stellte die Referentin an den Schluss ihrer Ausführungen.

Prof. Dr. Norbert Fischer stellt seine Thesen vor (Foto leisner)
Am Nachmittag referierte Prof. Dr. Norbert Fischer von der Hamburger Universität über "Die neue Vielfalt: Friedhof, Identität und Heimat". Er stellte drei aktuelle Trends  an den Anfang: Die Friedhöfe verlieren zum Teil schon jetzt und verstärkt in Zukunft das bisher gewohnte Ordnungsmuster aus Einzel- und Familiengrabstätten; Naturlandschaften und Gemeinschaftsanlagen werden zu Leitbildern und damit werden Friedhöfe sich in ein Mosaik von Miniatur-Landschaften verwandeln.

Nach zwei einführenden Bildern zur historischen Friedhofskultur erläuterte Prof. Fischer seine Thesen an zahlreichen Beispielen, wie z.B. den seit 2009 entstehenden "Memoriamgärten" bzw. den schon etwas älteren Themengrabstätten auf dem Ohlsdorfer Friedhof, den 2003 und 2007 geschaffenen Grabflächen "Mein letzter Garten" auf dem Hauptfriedhof Karlsruhe oder dem Auengarten in Bergisch-Gladbach. Der Vergleich mit den heute beliebten Indoorlandschaften, die an vielen Orten zum Entspannen und Regenerieren einladen, führte deutlich vor Augen, warum er von Miniatur-Landschaften spricht.

Zugleich ließ er aber auch die Geschichte nicht draußen vor, sondern wies darauf hin, dass landschaftliche Bereiche innerhalb der Parkfriedhöfe schon viel früher eine ähnliche Gestaltung aufwiesen. Auch die Begräbnisstätten im Wald und damit die Sehnsucht nach der Natur band er in diese Ausführungen ein und zeigte an weiteren Beispielen, wie Friedhöfe diese Sehnsucht nach romantischen und beschaulichen Orten für sich nutzen und in Zukunft darauf aufbauen können.

Auch er weist auf die Singularisierung der Menschen hin. Mit dem Bedeutungsverlust von Familie und Kindern gewinnen seiner Meinung nach neue postmoderne Strukturen an Einfluss, sichtbar in  einer neuen "corporate identity" auf dem Friedhof, also z.B. den gemeinschaftlichen Aidsgrabstätten,   dem Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof, wo es im Übrigen auch schon die Gemeinschaftsgrabstätte von Mitgliedern der Kirchengemeinde St. Michaelis gibt, oder den Grabstätten für die Anhänger von Fußballclubs.

Ein weiterer Aspekt besteht laut Fischer in dem neuen gefühlsbetonteren Umgang mit dem Tod; sichtbar z.B. in den inzwischen fast unzähligen Grabstätten für totgeborene Kinder. Gerade diese Grabstätten zeigen sozusagen eine neue "Unordnung", bieten die Möglichkeit persönliche Gegenstände abzulegen, sind nicht durchorganisiert. Damit beginnt hier ein Trend zu einer größeren Auflösung der Grenzen, sowohl der Grabstätten als auch der Aktzeptanz von unterschiedlichen Geschmacksvorstellungen, die in Zukunft sicher noch neu ausdiskutiert werden müssen, wie die Diskussion über die vielen kleinen Engel ergab, die sich inzwischen auf allen Friedhöfen finden.

Ein Fazit der bunten Folge von Beispielen war am Schluss, dass die Zukunft wahrscheinlich eine weitere Diversifizierung der Freiräume auf den Friedhöfen bringen wird, wobei Ökologie - die neue Kräuterwiese auf dem Ahrensburger Friedhof wurde gezeigt -, Geschichte - z.B. in Form von Grabmalfreilichtmuseen, Ethik - in der Frage nach heutigen Jenseitsvorstellungen - und die Wünsche der neuen Generation von Angehörigen und damit Interessenten am Friedhof eine rolle spielen werden.

In der Diskussion dieses Beitrags wurde von Seiten der Friedhöfe noch einmal deutlich darauf hingewiesen, das man ganz unterschiedliche Rahmenbedingungen hat, z.B. was den finanziellen Spielraum der einzelnen Anlagen betrifft. Dabei ist die Kalkulation der Gebühren ein wichtiges Thema, besonders da alles, was Kultur und Freizeit betrifft, aus diesen Gebühren nicht finanziert werden darf. Gleichzeitig wurde aber an die Friedhofsverwalter appelliert nach den Bedürfnissen ihrer "Kunden" zu fragen und deren finanziellen Spielraum in ihre Planungen einzubeziehen.

Aber auch die Frage der Denkmalpflege wurde angesprochen, wobei auf eine neue "Miniatur-Schloß-Begräbnis-Anlage" auf dem historisch besonders wertvollen Melatenfriedhof in Köln verwiesen wurde, die der Sprecher gerade dort lieber nicht sehen wollte.

Insgesamt war dieser erste "Friedhofsgipfel" der Aeternitas geprägt von einer sehr angenehmen Atmosphäre, in der es auch in den Pausen zu einem lebhaften Austausch zwischen den Anwesenden kam. Allerdings bedauerten die Veranstalter, dass kein Bestatter ihrer Einladung gefolgt war.







Samstag, 22. September 2012

Schwarz - Jubiläumsausstellung des Museums für Sepulkralkultur in Kassel

           
Zum 20jährigen Jubiläum des Sepulkralmuseums in Kassel hat die Kuratorin Ulrike Neurath-Sippel zusammen mit ihren Praktikantinnen eine Ausstellung zusammengetragen, die sich jener Farbe widmet, die in unserer Kultur als die Farbe von Tod und Trauer gilt.

Dabei wird ein breites inhaltliches Spektrum abgedeckt. Begonnen wird mit der Frage nach der physikalischen Definition dieser Farbempfindung, die ja tatsächlich erst dann entsteht, wenn der Farbreiz für das Auge fehlt, wenn die Netzhaut also keine oder nur teilweise Lichtwellen im sichtbaren Spektrum rezipieren kann, wie es auf Wikipedia so schön erklärt wird.
"Mini-Installation" - Friedhof (Foto Leisner)
Doch diese Farbe bedeutet natürlich vielmehr als fehlende Lichtwellen.

Die Ausstellung widmet mich natürlich hauptsächlich der künstlerischen und kulturellen Bedeutung von Schwarz und veranschaulicht das in dunklen Räumen mit schwarzen Wänden an Beispielen aus der Bildenden Kunst und anhand zahlreicher Sach- und Gebrauchsgegenstände des traditionellen christlichen Totenbrauchtums.

In sieben weiteren Abschnitten durchläuft der Besucher Themenkomplexe, die sich mit dem Dunkel der Nacht, "Schwarzen Tagen" der Weltgeschichte, der "Schwarzmalerei" in der Kunst, dem "Schwarzen Tod", also den Pest-Epidemien der  Vergangenheit, der Trauerfarbe Schwarz, der "Schwarzen Magie" und dem "Schwarzen Humor" befassen und dabei eine Reihe von interessanten Facetten beleuchten, die mit dieser Farbe zusammenhängen.


Den Schluss aber bildet eine Installation, die sich mit dem heutigen Status dieser Todes- und Trauerfarbe auseinandersetzt und zum Beispiel mit farbigen Särgen zeigt, wie heute aus „Schwarz“ in der Trauer immer mehr „Bunt“ wird.


Moderner Sarg und bunte Urnen (Foto Leisner)

Samstag, 15. September 2012

Evangelische Friedhöfe in Braunschweig - ein Taschenführer

Broschüre der mit Rundgang über den Hauptfriedhof
in Braunschweig (Foto Leisner, mit freundlicher
Erlaubnis der  Ev.-Luth. Kirchenverband 
Braunschweig, Friedhofsverwaltung)
Zwar nicht direkt als Jubiläumsbuch, aber doch zum Friedhofsjubiläum in Braunschweig erschienen ist eine handliche kleine Broschüre mit dem Titel "Erkunden - Erinnern - Erfahren. Die Friedhöfe des Ev.-luth. Kirchenverbandes in Braunschweig". Der Titel führt ein wenig in die Irre, denn der Hauptfriedhof nimmt mit 35 der  insgesamt 95 Seiten, den größten zusammenhängenden Teil ein. Er wird kurz mit seinen historischen Daten vorgestellt, bevor dann insgesamt 40 einzelne Stationen eines Weges über den Friedhof in Bild und Text vorgestellt werden.

Darunter sind so interessante Grabmale wie der Obelisk auf dem Grabmal der Familie Büssing, deren Omnibusse und Lastwagen berühmt sind, oder das Grabmal des Arztes P. Stahl, auf dessen Rückseite zu lesen ist: "P. Stahl war es der 1939 in Breslau die Methode der intravenösen Dauertropfinfusion erfand und entwickelte". Aber auch Plastiken, ein Mausoleum und eine Teich-Partie sind in den reich bebilderten Rundgang eingeschlossen. Im Rückumschlag findet sich zudem eine Friedhofskarte mit den eingezeichneten Stationen.

Auf den übrigen Seiten werden die zwölf übrigen kirchlichen Friedhöfe Braunschweigs mit jeweils zwei Text- und Bildseiten vorgestellt und am Ende des Bändchens geht es dann noch um ganz praktische Fragen nämlich um eine Übersicht über die Grabarten, die auf den Friedhöfen angeboten werden. Darunter fehlt nicht der Hinweis auf Patenschaftsgräber. Eine Doppelseite  zu den Friedhofsgebäuden des Hauptfriedhofes rundet die Broschüre ab.

Natürlich gäbe es ein paar kleine Anmerkungen, wie z.B. die Frage, warum der Hauptfriedhof nicht gleich an den Anfang gestellt worden ist, wenn er doch den bedeutendsten Teilaspekt der Broschüre darstellt. Und auch der Hinweis, dass sich Lorbeerkränze von Immortellenkränzen unterscheiden soll hier nicht fehlen und dass vielleicht nicht alle Symbole nur in kirchlich-christlichen Sinne zu interpretieren sind. Insgesamt aber ist diese Broschüre sehr schön gestaltet und eine gelungene Bereicherung der Friedhofsliteratur.

Erkunden - Erinnern - Erfahren. Die Friedhöfe des Ev.-luth. Kirchenverbandes in Braunschweig. Hrsg. Ev.-Luth. Kirchenverband Braunschweig, Friedhofsverwaltung, Helmstedter Straße 38., Tel.: 0531-27370-0. http://www.kirchenverband-braunschweig.de/



Mittwoch, 5. September 2012

Der Braunschweiger Hauptfriedhof wird 125 Jahre alt


Am 1. Oktober 1887 wurde der Hauptfriedhof in Braunschweig eingeweiht, der zu den größten kirchlichen Friedhöfen in Deutschland gehört.

Aus diesem Anlass lädt der evangelische Kirchenverband und die Propstei Braunschweig am Tag des Friedhofes zu einer Reihe von Festveranstaltungen ein, zu denen neben dem Eröffnungsgottesdienst auch Vorträge und Führungen, Kutschfahrten und Ausstellungen bzw. Beamer-Präsentationen gehören.

Ein Programm-Flyer findet sich auf der Internetseite der Propstei.

Montag, 3. September 2012

Von Grabstätten und Stolpersteinen - Geocache-Tour durch Osnabrück


In Osnabrück wird - so weit ich weiß - erstmalig eine moderne Form der Schatzsuche, das Geocaching, zur Vermittlung von Friedhofs- und Stadtgeschichte genutzt. Ich danke Niels Biewer von der Fachhochschule Osnabrück, der hier extra für die Friedhofsfreunde zusammengefasst, wie eine solche Geocache-Tour aussieht:


"Was geschah zur Zeit des Nationalsozialismus in Osnabrück? Welche Opfer gab es, und welche Täter? Wo finden sich in der Stadt Orte, die an diese Menschen erinnern? Die Geocache-Tour „Von Grabstätten und Stolpersteinen“ führt über 19 Stationen zu Orten der Erinnerung in Osnabrück – zu Grabstätten, Stolpersteinen und anderen denkwürdigen Orten.
Innerhalb eines Forschungsprojekts an der Hochschule Osnabrück (Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur) zur Folgenutzung des Hase- und des Johannisfriedhofs in Osnabrück interessiert uns die Möglichkeit, die beiden Denkmale als Bildungsort zu nutzen. Auf alten Friedhöfen treffen innerhalb eines eingegrenzten Raums die verschiedensten Aspekte aufeinander, die aufgegriffen und in unterschiedlichster Form aufgearbeitet und weitervermittelt werden können.
Für ein „Geocache“-Projekt haben wir den Fokus auf die politische und gesellschaftliche Geschichte gelegt. Gemeinsam mit Cache4You, einem kleinen Betrieb für professionelles Geocaching, haben wir eine Tour zur regionalen Geschichte der NS-Zeit erarbeitet.
Was ist Geocaching?
Geocaching ist eine Art moderne Schnitzeljagd. Bei der einfachen Variante des Geocaching versteckt eine Person einen Schatz, z.B. eine kleine Kiste, auch Geocache oder Cache genannt, in welcher sich ein Logbuch und ggf. Tauschgegenstände befinden, und notiert sich dessen genaue GPS-Koordinaten. Diese sind oft über bestimmte Portale im Internet für jeden abrufbar. Mitspieler können sich mithilfe von GPS-Geräten auf die Suche nach dem Cache machen und wenn er gefunden wurde in das Logbuch eintragen und ggf. einen Gegenstand tauschen.
Beim sogenannten Multicache – der „Friedhofs-Geocache“ wurde ebenfalls als Multicache angelegt – gibt es mehrere Stationen, an denen Fragen beantwortet oder Rätsel gelöst werden müssen, um am Ende den Schatz finden zu können. Diese Form des Geocaching eignet sich sehr gut, um Lerninhalte und Wissen auf spielerische Weise zu vermitteln.
Die Route
Die etwa drei bis vier Stunden lange Tour mit einer Streckenlänge von etwa 6 bis 7 km leitet die Teilnehmer mit Hilfe von GPS-Geräten zu insgesamt 19 Stationen, an denen Aufgaben gelöst werden müssen. Jede Station entführt die Teilnehmer in die Osnabrücker Stadtgeschichte der 30er bis 40er Jahre – die Zeit der Nationalsozialisten und des 2. Weltkriegs. Die Teilnehmer lernen verstorbene Menschen mit eindrucksvollen und oft auch dramatischen Schicksalen kennen, die damals in Osnabrück gelebt haben oder von hier stammten.
Der Ablauf
Vor dem Start gibt es eine kurze Einführung zum Geocaching und der Tour. Auf Wunsch können GPS-Geräte für die Veranstaltung gestellt werden, diese werden ebenfalls erklärt. Am Ende treffen sich alle Teilnehmer beim Schatz. Hier ist noch Zeit, sich über die Eindrücke der Tour auszutauschen.
Die jeweiligen Koordinaten, die in das GPS-Gerät eingeben werden müssen, finden sich im dafür erarbeiteten Aufgabenheft, das an die Teilnehmer ausgeteilt wird. Das Gerät führt die Teilnehmer in die Nähe des jeweiligen Ziels. Dort müssen diese dann ein wenig die Augen offen halten und mit Hilfe der Hinweise im Aufgabenheft die Station suchen. Sobald sie sie gefunden haben, liest einer aus der Gruppe den kurzen Infotext zur Station vor. Am Ende kommt dann die jeweilige Aufgabe. Durch das Lösen der Aufgabe erhalten die Teilnehmer einen Buchstaben und einen Zahlenwert. Sind alle Aufgaben gelöst, lassen sich daraus die Koordinaten des Schatzes errechnen.
Auf den Friedhöfen sollten die Strecken zwischen den Stationen zu Fuß und außerhalb der Friedhöfe mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Natürlich können die Teilnehmer dort auch zu Fuß gehen oder den Bus nehmen.
Die Stationen
Die meisten Stationen, die während der Tour angesteuert werden, befinden sich auf den beiden historischen Friedhöfen. Startpunkt ist der Hasefriedhof mit seinen alten Grabstätten. Nach dem Lösen einiger Aufgaben besuchen die Teilnehmer verschiedene Stationen in der Innenstadt, bis sie schließlich am Ende der Tour den jüdischen Friedhof an der Magdalenenstraße und den historischen Johannisfriedhof erreichen.
Ein 32 Seiten umfassendes Aufgabenheft begleitet die Teilnehmer während der Tour. Zu jeder Station findet sich ein kurzer Text, der einzelne Schicksale vorstellt oder geschichtliche Ereignisse erläutert.
So wird zum Beispiel an der Grabstätte von Siegfried Pelz auf dem Hasefriedhof erzählt, wie der vom Judentum zum Christentum konvertierte Pelz im Deutsch-Französischen Krieg als Feldarzt arbeitete, im Ersten Weltkrieg die Lazarette der Stadt und des Landkreises Osnabrück leitete und Geheimer Sanitätsrat wurde. Als Pelz 1936 starb, hatten ihm die Nationalsozialisten die Ehrenbürgerschaft aberkannt und ihn und seine Familie jahrelang schikaniert.
An der Grabstätte des im Alter von 15 Jahren verstorbenen Konrad Bertels auf dem Johannisfriedhof wird die Geschichte eines Jungen der Hitlerjugend erzählt. Auf dem Stein sind noch schwach das Zeichen der Hitlerjugend und der Spruch „Geboren als Deutscher / Gelebt als Kämpfer / Gefallen als Held / Auferstanden als Volk“ zu erkennen.
Weitere Stationen sind, neben verschiedenen Grabstätten, das Mahnmal Alte Synagoge, Stolpersteine und das Elternhaus des jüdischen Malers Felix Nussbaum in der Innenstadt.
Am Ende wartet der Schatz auf die Teilnehmer – und sie werden viele neue, interessante Dinge über Osnabrücks Geschichte erfahren haben.

Kontakt: schraer@cache4you.de oder N.Biewer@hs-osnabrueck.de
Internet: www.cache4you.com / www.hasefriedhof-johannisfriedhof.de"