Dienstag, 20. August 2013

Moderne Grabmalkultur auf der igs 2013 in Hamburg

Normalerweise schreibe ich hier über historische Friedhöfe und Grabmale. Aber manchmal mache ich auch einen Ausflug in den Gegenwart. Vor Kurzem habe ich in der Zeitschrift Friedhof und Denkmal (Inhaltsverzeichnis und Leseprobe von Heft 2/3-2013 (Doppelausgabe) ) einen längeren Artikel über die neuen Grabmale auf der igs 2013 in Hamburg veröffentlicht, den ich mit Erlaubnis der Redaktion hierher übernehme.













Hier der Text meines Artikels, da er im Bild nicht lesbar ist:

"Grabgestaltung und Denkmal auf der Internationalen Gartenschau 2013

Die Verbraucher-gesellschaft Aeternitas e. V. hat eine neue Umfrage in Bezug auf Grabgestaltung und Grabmal in Auftrag gegeben. Herausgekommen sind verwirrende Ergebnisse: Einerseits sagt „weit mehr als die Hälfte der Deutschen (59 Prozent)“, dass sie „für Trauer und Gedenken keinen bestimmten Ort“ braucht. Gleichzeitig betonen jedoch noch etwas mehr Bundesbürger (63 Prozent), dass ihnen Grabmale wichtig sind. 70 Prozent besuchen sogar mindestens einmal im Jahr ein Grab auf einem Friedhof. Grabmale und Friedhöfe werden also insgesamt positiv gesehen, sie werden besucht und als Rückzugsorte genutzt. Doch die eigene Trauer wird nicht mehr selbstverständlich mit diesen besonderen Plätzen verbunden.

Demgegenüber betonen Grabmalschaffende die Bedeutung der Grabstätte als Ort der Trauer. Im individuell gestalteten Grabmal soll man dort seinen Gefühlen und Gedanken dauerhaften Ausdruck verleihen. Die Produkte ihres Könnens werden jedes Jahr von neuem auf den großen Gartenschauen dem Publikum vorgeführt. So ist auch auf der diesjährigen Internationalen Gartenschau inHamburg (igs 2013; noch bis 13. Oktober) wieder ein Bereich von Steinmetzen und Floristen ausgestaltet worden. Dort sind über hundert – extra für diese Schau ausgewählte und zum größten Teil auch prämierte – Grabmale aufgestellt. Auch nach der Ausstellung kann man ihre Abbildungen in der Broschüre wiederfinden, die der Bundesverband Deutscher Steinmetze dazu herausgegeben hat.

Vor Ort sind die Ausstellungsflächen in vier Abteilungen um die alte Kapelle von Wilhelmsburg herum angelegt. Direkt am Eingang West der Gartenschau betritt man die erste Abteilung mit dem Titel „Moderne Zeiten“. An dem weitläufig um die Kapelleherumgeführten Weg folgen dann die Grabmalgruppen „Traditionen leben“, „Zusammen leben“ und „Symbolik – Sinnbilder für Leben und Tod“. Der aufgelassene Friedhof um die Kapelle ist so integriert, dass die neuen Steine in Wechselbeziehung zu den relativ schlichten historischen Grabmalen zu sehen sind. Niedrige Texttafeln erläutern die jeweilige Gruppierung.

Ohne sie würde sich der Zusammenhang der Grabmale den Besuchern auch kaum erschließen, sieht man einmal von einigen ungewöhnlicheren Steinen in der Gruppe „Moderne Zeiten“ ab. Zu ihnen gehört zum Beispiel das steinerne Ensemble aus zwei Koffern und einer niedrigen Kommode mit Blumentopf und Notizblock – letzterer mit der Inschrift „Bin kurz weg“. Gleich darauf folgt eine hohe Stele mit Dreiecksgiebel und Akroteren und der Inschrift „Kassandra 1968 2016“. Anstelle der bei dieser Form zu erwartenden antiken Gestalt ist aus der Rahmenfläche das ein wenig steife Relief einer jungen Frau in Jeans mit bauchfreiem Top herausgearbeitet. Während in dem ersten Ensemble Schlaf und Tod eine enge und gleichzeitig merkwürdig prosaische Verbindung einzugehen scheinen, sind bei „Kassandra“ zwei Stilrichtungen vermischt, die unterschiedlicher kaum sein können. Einige weitere individuell gestaltete Grabmale in dieser Gruppe sollen hier noch genannt werden: die schlichte Stele mit bronzener Golftasche und Schlägern; das Grabmal in Form eines senkrechten USBSticks; der ovale Pfeiler, der von einer kleinen plastischen Palmeninsel bekrönt und von einer Glasplatte von intensivem Blau umrahmt wird, die ein Segelschiff auf weitem Meer zeigt; das Kindergrabmal in Form eines Karussells mit bunten Glasanhängern. 

Dabei wird auch gleich deutlich, dass immer mehr Grabmalgestalter – und das nicht nur in dieser Abteilung – ihre Werke mit verschiedenen Materialen wie leuchtend farbigem Glas verbinden, die bisher auf Friedhöfen noch eher selten zu sehen sind. Offenbar gibt es auch auf dem Friedhof den Trend, das Bild des Todes immer bunter und damit „fröhlicher“ und „lebendiger“ zu gestalten.

Allerdings verharrt der größere Teil der Grabmale durchaus in den üblichen Formen. Stelen und hohe Pfeiler herrschen vor und das nicht nur im Bereich „Traditionen leben“. Gar nicht traditionell sind in dieser Gruppe übrigens einige Grabmale zu finden, die einen der neuesten Trends in der Grabmalkultur zeigen; so ist auf der hohen Stele aus dunklem Stein mit der Aufschrift „Mano Krause“ das christliche Kreuz eng mit dem Namen der verstorbenen Person verbunden und das Ganze sozusagen bekrönt von dem Quadrat eines QR-Codes (Quick-Response). Mit letzterem könnten auf einem mobilen und nternetfähigen Endgerät Bilder und Texte zum Leben der Verstorbenen aufgerufen werden – hier allerdings erscheint nur die Internetadresse der Schöpferin.

In den Bereich „Zusammen leben“ ist ein sogenannter „Memoriam-Garten“ eingebettet, eine relativ neue Form von Grabanlagen, die fertig hergerichtet und mit Grabmalen besetzt sind, wobei die Anlage auf Dauer von Gärtnern instand gehalten wird. Aufgestellt sind an dieser Stelle eine Vielzahl von gemeinschaftlichen Grabmalen: Schlichte aus gleichförmigen Steinen aufgeschichtete Türme gehören dazu ebenso, wie runde Pfosten, auf denen Steinquader balancieren, oder eine niedrige, bepflanzte Stufenpyramide, deren Seiten kleinen Inschriften Platz bieten könnten. 

Bei den einzelnen Grabstätten, die sich daran anschließen, ist es dagegen nicht so einfach, das Zusammenleben in den Grabmalen zu identifizieren. Vielleicht ist es noch am ehesten in den beiden eng zusammenstehenden Pfeilern zu erkennen, die nach oben wie ein Ypsilon auseinander streben, wobei sich aus ihrem Zwischenraum farbige Glaskugeln wie Luftblasen zu lösen scheinen. Das Motiv wird übrigens mit der gärtnerischen Gestaltung kongenial am Boden mit einem weißblühenden Y mit bunten Keramikkugeln wiederholt. Wie insgesamt die sorgfältig abgestimmte Grabbepflanzung die steinernen Denkmale – unter ihnen sind auch einige wenige Grabmale aus Holz und Eisen – erst ins richtige Licht rückt. 

Das Motiv des Ypsilons wird auch im letzten Bereich „Symbolik – Sinnbilder für Leben und Tod“ noch einmal wiederholt, dieses Mal in Holz mit rostenden Metallbeschlägen. In diesem Bereich haben neben den üblichen Stelen und Pfeilern unterschiedliche Formen ihren Platz gefunden, darunter auch die beiden einzigen Grabmalplastiken: eine stämmige hölzerne Frauengestalt auf hohem Sockel und ein stilisierter steinerner Engel – der einzige, der den Weg in diese Ausstellung gefunden hat, in dem man allerdings auch einen Menschen mit zum Himmel ausgestreckten Armen sehen könnte … Bei dem Boom, den gerade Engelfiguren auf Friedhöfen seit einigen Jahren wieder verzeichnen, ist es schon ein wenig erstaunlich, wie intensiv die Steinmetze in dieser Leistungsschau immer noch an der Tradition der Abstraktion festhalten. 

Insgesamt bietet die Grabmalausstellung mit der Fülle ihrer Werke, die von einer Steinmetzwerkstatt unter freiem Himmel und zwei Ausstellungspavillons begleitet wird, einen informativen Überblick über das Können der Aussteller und ihre Intentionen. Leider können an dieser Stelle nur einige wenige Grabdenkmale gewürdigt werden. Das heißt aber nicht, dass keine anderen ebenso innovativen und handwerklich-künstlerisch hervorragenden Grabmale auf dieser Schau zu sehen sind."