Freitag, 12. Mai 2017

Tagungsbericht: Ohlsdorf 2050 - Nachhaltige Friedhofsentwicklung


Vortrag von Prof. Dr. Gabriele Dolff-Bonekämper
Gartenarchitekten, Friedhofsverwalter, Gärtner, ebenso wie Historiker und Denkmalpfleger kamen auf dem Ohlsdorfer Friedhof, um sich über die Friedhofentwicklung und speziell die aktuellen Planungen für die Ohlsdorf zu informieren. Die international angelegte Tagung fand im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie "Ohlsdorf 2050" statt und war mit etwa hundert Teilnehmern sehr gut besucht. Gefördert wird die Zukunftsstrategie vom Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“. Modelle für eine angepasste und nachhaltige Friedhofspflege sollen dabei erarbeitet und eine dauerhafte Finanzierbarkeit gesichert werden. Außerdem besteht die Vorgabe wirtschaftliche und umweltrelevante Ziele sowie Denkmalpflege und kulturelle Anforderungen zusammenzuführen, so dass die Ergebnisse auf andere Friedhöfe übertragbar sind.

In den Begrüßungsansprachen wurde betont, dass es nicht nur um die Bewahrung von Grünflächen für die Zukunft und die Verstetigung des bürgerschaftlichen Engagements geht, sondern auch darum Konfliktpotentiale zwischen unterschiedlichen Nutzungsansprüchen zu erkennen. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Frage: Was sind Friedhöfe heute? Einige Antworten ergaben die anschließenden Vorträge, die in die vier Bereiche „Friedhöfe als kulturhistorische Orte“, „Zukünftige Friedhöfe“, „Erinnerung und Trauer verändern sich“ und „Aufbruch in Ohlsdorf“ gegliedert waren.



Frau Prof. Dr. Gabriele Dolff-Bonekämper, die seit 2005 am Institut für Städtebau und Siedlungswesen der TU Berlin das Fachgebiet Denkmalpflege lehrt, erläuterte in ihrem Vortrag „Ruheräume: Friedhöfe als Denkmallandschaften in der Großstadt“ einleitend die Situation der Friedhöfe in Berlin. Anhand von vier verschiedenen Bestattungsorten führte sie vor, wie unterschiedlich Friedhofsnarrative sein können.

An dem Jüdischen Friedhof an der Großen Hamburger Straße zeigte sie auf, wie diese Begräbnisanlage zur „Memoria“ geworden ist. Diesen Begriff definierte sie dabei mit Otto Gerhard Oexle als Kultur in der modernen Welt, in der es in fundamentalerer Weise um jenes Erinnern geht, „in dem sich das Individuum behauptet gegen das ihm angetane Leiden und gegen die ihm zugedachte Vernichtung“[1]. Der Friedhof stammt aus dem Jahr 1671 und wurde 1826 geschlossen. 1943/44 wurde er – wie so viele andere jüdische Friedhöfe in Deutschland – von den Nationalsozialisten geschändet und zerstört: Ein Splittergraben wurde quer durch die Begräbnisstätte gezogen und mit historischen Grabsteinen abgesteift, die Gebeine der Toten wurden hinausgeworfen. 1948 wurde die Fläche an die Gemeinde zurückgegeben. In der DDR war der Friedhof ein Park. Einige wenige erhaltene Grabmale waren in die Mauer eines angrenzenden Hauses eingelassen. Sie wurden 1988 auf den Friedhof nach Weißensee gebracht. Vor Ort blieb ein symbolisches Grabmal für Moses Mendelssohn und ein Sarkophag aus zerstörten Grabsteinen. 2007/2008 wurde das Gelände nach denkmalpflegerischen Grundsätzen neu gestaltet, wobei die originalen Grabsteine wieder zurückgeholt wurden. Die Fläche aber, in der einst die Toten ruhten, ist seit der Neugestaltung mit Efeu bewachsen und damit nicht mehr zu betreten. Damit wirkt der weitgehend von Gebäuden eingerahmte Bereich mit seinen alten Bäumen zugleich idyllisch und hat einen gedämpften Ton.

Als zweite Anlage wurde der Alte Garnisonsfriedhof von 1706 vorgestellt, der 1951 geschlossen und Ende der 1970er Jahre zur Parkanlage umgestaltet wurde. Seine Grabmale wurden ohne Bezug zu den Grabstätten museal im Gelände verteilt. Es stellt sich die Frage, ob es sich noch um einen Friedhof handelt. Einerseits liegen die Bestatteten noch in der Erde, andererseits ist ihre persönliche Memoria in Form der Grabmale beschädigt. Damit kann dieser ehemalige Friedhof als eine Art geweihter Ruheraum im Quartier angesehen werden und zugleich als „Blickraum“ oder auch „Augenlust“ und Grünraum für die Anwohner. Aufgrund der hier bestatteten Persönlichkeiten, unter denen zahlreiche ranghohe Militärs und damit viele bekannte Namen der deutschen Militärgeschichte zu finden sind, ist dieser Friedhof aber auch ein Museum der preußischen Geschichte. Die Vortragende definierte diesen Friedhof damit als Denkmalpark.
Entwurf von Karl Friedrich Schinkel für das Grabmal
für Gerhard von Scharnhorst, ca. 1826 (Quelle Wikipedia)

Der Invalidenfriedhof ist wiederum durch seine Lage mit der wechselvollen Geschichte Deutschlands und zugleich mit der Weltgeschichte eng verbunden; bildet er doch, wie sich die Vortragende ausdrückte, topografisch, historisch und geopolitisch eine „Kante“. Topografisch liegt er insofern auf der Kante als er direkt an den Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal angrenzt, Land und Wasserstraße treffen also aufeinander. Historisch und geopolitisch gesehen lief in der DDR-Zeit die Berliner Mauer durch den Friedhof und damit die Grenze zwischen Ost und West mit ihren konkurrierenden Staatsformen. Die denkmalpflegerische Wiederherstellung war nach der Maueröffnung umstritten. Auf der einen Seite standen die Erhaltung der Mauer und des Todesstreifens, auf der anderen - die sich letztendlich durchsetzte - das Ziel sich dem ursprünglichen Erscheinungsbild wieder anzunähern und dabei die Zerstörungen des 20. Jahrhunderts denkmalartig zu bewahren. Heute sind nur noch etwa 230 Gräber erhalten, darunter nicht nur das berühmte Grabdenkmal für Gerhard von Scharnhorst nach dem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel, sondern auch Grabstätten einer großen Zahl bekannter Persönlichkeiten. Um das Grab der Sportfliegerin Marga von Etzdorf kreist der Roman „Halbschatten“ von Uwe Timm, in dem sie und andere Toten des Friedhofs ihre Geschichten erzählen. 

Am Alten St. Matthäusfriedhof, der heute noch in Benutzung ist, zeigte die Referentin zum Schluss die engen Verflechtungen in Bezug auf Raum und Zeit zwischen Friedhof und Stadt auf. Auch dieser Friedhof hat seine eigene Geschichte, da Teile von ihm durch die Planung für die Reichshauptstadt Germania abgeräumt und nach Stahnsdorf verlagert wurden. Zugleich liegt der Friedhof in einem wohlhabenden Stadtviertel, entsprechend haben wohlhabende Stadtbürger hier ihre Denkmale aufgestellt, deren Spuren eng mit den Bauten der Stadt verbunden sind, wie die Vortragende an einer Reihe von Beispielen zeigen konnte. Der Friedhof wird damit zur Memoriallandschaft. Andererseits entwickeln sich durch die zeitgenössischen Bestattungen auf dem Friedhof ganz neue Nachbarschaften und ermöglichen damit diesen Friedhof nachhaltig offen zu halten.

Mit diesen vier ganz unterschiedlichen „Friedhofsnarrativen“ zeigt die Referentin zugleich die weitreichenden Möglichkeiten auf, Friedhöfe in ihren jeweils ganz individuellen historischen Kontexten eine besondere Bedeutung zuzusprechen und diese nach außen zu kommunizieren. In der anschließenden Diskussion wurde die Denkmalpflegerin u.a. nach ihrer Meinung zu Lapidarien gefragt, in denen Grabsteine ohne Verbindung zu Grab gesammelt aufgestellt werden. Diese Aufstellungsform bezeichnete sie als Notlösung, aus der sich paradoxe Nachbarschaften ergeben könnten, bei dem aber mit dem Verlust des Grabes ein Teil des ursprünglichen Narratives verschwindet.

Die historische Entwicklung der Bestattungsplätze zeichnete dann Prof. Dr. Gert Kähler, Architekturkritiker und freiberuflicher Journalist, in seinem Vortrag „Lieber ein Engel als ein Gerippe – Der Übergang vom Kirchhof zum Friedhof im Zuge der Aufklärung (und darüber hinaus)“ nach. Kritisch setzte er sich zuerst mit der gegenwärtigen Tendenz zur Billigbestattung auseinander. Zeigte dann aber auf, wie auch im Mittelalter schon die Kosten für eine Beerdigung in der Kirche je nach der Nähe des Grabes zum Altar gestaffelt waren und bezeichnete Kirchhöfe ebenso wie die späteren Friedhöfe als Projektionsfläche der Gesellschaft. Im Anschluss daran ging er noch auf den Umbruch des gesellschaftlichen Umgangs mit den Toten in der Zeit der Aufklärung, die utopischen Ideen jener Zeit und die Welle der Verlegungen der Begräbnisplätze ein.

Der Nachmittag war den „Zukünftigen Friedhöfen“ gewidmet, wobei es um Entwicklungen in den beiden europäischen Nachbarländern Holland und England ging. Der Landschaftsarchitekt und Städtebauer Bart Brands, Geschäftsführer und Miteigentümer der Firam karres+brands, stellte den Friedhof "De nieuwe Ooster" in Amsterdam vor. Er betonte dabei, dass der Entwurf eines Friedhofs für ihn wie ein Laboratorium für den Städtebau sei. Ein Friedhof bilde ein Spiegelbild der Gesellschaft. Er stelle keine statische Institution dar und erfordere eine starke Leitidee. Dabei ist es wichtig vor der Planung zu untersuchen, wie die Menschen heute zum Friedhof stehen und welches Bild ihn in einer multikulturellen Gesellschaft prägen soll. Auch die Grundtatsachen, wie zum Beispiel die Zunahme der Kremation, der wachsende individuelle Gestaltungsbedarf, der Wunsch, die Totenasche zu verstreuen, das Interesse an kostengünstigen Gräbern, sowie die Rolle des Friedhofs als Grünfläche seien zu berücksichtigen. 

Am Plan zeigte er die Entwicklungsgeschichte des Amsterdamer Ostfriedhofs auf. Die Neuplanung bezog sich dabei anfangs nur auf die letzte Erweiterungsfläche des Friedhofs ganz im Norden, die nach dem Muster der Barcodes mit der Leitidee neu überplant wurde, dass „alles erlaubt sein solle, aber nicht alles überall“. Die in unterschiedlich breiten Streifen angelegten Grabfelder, die man auf dem abgebildeten Plan sieht, erhielten verschiedene Gestaltungen und Bestattungsmöglichkeiten, wie z.B. ein offenes Kolumbarium, in Wasser schwimmende Behälter für Urnen oder auch eine preisgünstige Möglichkeit zur Sargbestattung in Reihen mit jeweils fünf unterirdisch übereinander angeordneten Zellengrüften. Dabei wurden für jeden Streifen eigene Regeln für die Grabgestaltung aufgestellt. 

Etwas separat und mit Ausrichtung nach Mekka wurde nach langwierigen Vorgesprächen ein islamisches Grabfeld mit eigenem Waschhaus eingerichtet. Außerdem stellte der Referent die weitere Umgestaltung des Friedhofes vor, die sich an die Neuplanung anschloss und besonders den historischen Eingangsbereich betraf. Er war durch mehrere Neubauten im Laufe der Zeit verunklart. Diese wurden bis auf das seitlich gelegene Friedhofsmuseum „Tot Zover“ abgerissen. Dort gibt es Ausstellungen und Aktivitäten, sowie ein Friedhofscafé. Inzwischen finden zahlreiche Veranstaltungen auf dem Friedhof statt; als Größte ein Lichterfest an Allerheiligen, das den Friedhof in Kerzenlicht erstrahlen lässt.

Die eindrucksvolle Präsentation warf im Anschluss eine Reihe von Fragen auf, so zum Beispiel nach der Finanzierung der Neu- und Überplanung. Der Referent antwortete, dass die Friedhofsverwaltung sich schon lange davor um städtische Gelder gestritten hatte und dass eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit nötig war, um die Finanzierung zu sichern. Auch die Frage, wieweit sich die unterschiedlichen Bedürfnisse, die über die verschiedenen nebeneinanderliegenden Bestattungsflächen abgedeckt werden, gegenseitig beeinträchtigen, kam auf. Natürlich passe eine laute und fröhliche Beerdigung mit Sekt nicht zu einer stillen Bestattung nebenan, aber es gäbe eine sorgfältige Planung der Beerdigungen von Seiten der Verwaltung, so dass es zu keinen Beeinträchtigungen komme, erläuterte der Referent.

Ein ganz anderes Bild entwarf Jan Woudstra, der seit 1995 ist er an der Universität Sheffield für die Lehr- und Forschungsgebiete Landschaftsarchitektur und Gartengeschichte tätig ist. Am Anfang stellte er in seinem Beitrag „The Afterlife of British Cemeteries“ die englische Begrifflichkeit klar, die mit churchyard, graveyard, burial ground, burial site und ähnlichen Wörtern immer den Bestattungsplatz meint. In seinen weiteren Ausführungen bezog er sich besonders auf die Friedhöfe des 19. Jahrhunderts, die er mit einer Vielzahl von Beispielen vorstellte. Da in England diese Friedhöfe meistens von Kapitalgesellschaften gegründet worden sind, wurden viele in dem Augenblick aufgegeben, in dem mit dem Verkauf von Grabstätten kein Profit mehr gemacht werden konnte. Sie verwilderten, bis ihre verwunschenen „Landschaften“ im 20. Jahrhundert wiederentdeckt und restauriert wurden. Der Highgate Cemetery ist dafür ein berühmtes Beispiel. Der Referent stellte dafür allerdings nicht ihn, sondern die Situation zweier Friedhöfe in Halifax vor: Der „Lister Lane Cemetery“ von 1839 wurde mit Hilfe des „Heritage Lottery Fund“ wiederhergestellt. Ein aktiver Förderverein kümmert sich um ihn. Dagegen ist der „Stoney Road Cemetery“ von 1860 noch heute in Betrieb. In einem weit gefassten Überblick von der Ur- und Frühgeschichte bis in die Gegenwart ließ der Referent dann unterschiedliche Begräbnisstätten in England vorüberziehen. Da kann zum Beispiel ein frühgeschichtlicher Ort, wie die Dolmenstellung der Pentre Ifan Burial Chamber als Sehenwürdigkeit besichtigt werden, während die römischen Friedhöfe in York teilweise überbaut sind, dort aber bei Ausgrabungen noch Gräber aus der Römerzeit gefunden wurden. An anderen Friedhöfen zeigt sich, wie unterschiedlich der Erhaltungszustand dieser historischen Orte in England sein kann: Das reichte zum Beispiel vom britischen Ideal eines schlichten Rasens mit Grabsteinen um eine historische Kirche (Eyam, St. Lawrence Church ) bis zu dem Choleragrab in York von 1832, wo einzelne Grabmale auf einer Rasenfläche stehen, die von einer Straße umzogen ist.

Dabei machte der Referent immer wieder deutlich, wie sehr sich die Verhältnisse im Denkmalschutz in England in den letzten Jahrzehnten verschlechtert haben. Offensichtlich gibt es kaum noch öffentliche Mittel für die Erhaltung des kulturellen Erbes. Sogar so berühmte Bauwerke wie die mittelalterliche Kathedrale von Peterborough haben Probleme die jährlichen Unterhaltungskosten aufzubringen und können wichtige Restaurationsmaßnahmen nicht mehr durchführen. Am Beispiel der Stadt Sheffield zeigte der Referent dann noch einmal das Nachleben der Friedhöfe an einem Ort auf. Ab dem späten 18. Jahrhundert entwickelte sich die Stadt zu einem Zentrum der Stahlverarbeitung und wuchs entsprechend an. Bevor er auf die Entwicklung des Sheffielder Friedhofs einging, wies der Referent aber auf die allgemeine Friedhofsentwicklung im England des 19. Jahrhunderts Zeit. Ausgehend von dem nicht ausgeführten Entwurf des Grand national Cemetery vom Francis Goodwin von 1830 und der utopischen Idee einer Friedhofspyramide (Pyramid Cemetery von 1831) von Thomas Wilson, verwies er auf das wichtigste Beispiel der neuen landschaftlichen Friedhofsgestaltung dieser Zeit, den Pariser Friedhof Père Lachaise. Von ihm reiste ein hölzernes Modell durch England. Er war das Vorbild für die Glasgower Nekropole von 1832, wie von John Strang in seiner Schrift „Necropolis Glasguensis“ von 1831 gefordert; aber auch für den älteren St. James Friedhof in Liverpool, der zwischen 1825 und 1829 entstand und 1972 in einen Park umgewandelt wurde. 1836 wurde in Sheffield der konfessionslose General Cemetery als einer der ersten kommerziellen Landschaftsfriedhöfe Großbritanniens eröffnet. Auf dem Gelände eines ehemaligen Steinbruchs angelegt, wurde er zehn Jahre später durch einen anglikanischen Friedhof mit einer Kapelle erweitert. Beide Friedhofsteile waren durch eine Mauer getrennt. 1973 wurde er verkauft und sollte überbaut werden. Doch öffentliche Proteste führten dazu, dass er als Park erhalten blieb. Danach verfiel die Anlage, in der noch friedhofsartige Teile erhalten sind. Anfang 2003 begannen dann Wiederherstellungsarbeiten, die durch einen Zuschuss aus dem "Heritage Lottery Fund" finanziert wurden. Inzwischen gibt es aber auch Bereiche des ehemaligen Friedhofs, die als große Freifläche - zum Beispiel für das jährliche Bierfestival der Stadt - genutzt werden. Dass ein vollständig belegter Friedhof zum Park umgestaltet werden kann, hatte – wie der Referent anmerkte – übrigens schon der berühmte Botaniker und Landschaftsplaner John Claudius Loudon in seiner Schrift von 1843 über die Anlage von Friedhöfen als Möglichkeit gesehen dargestellt.

Wie unterschiedlich das Nachleben von Friedhöfen sein kann, zeigten zwei weitere Beispiele: zum einen der Kirchhof der St. Nicholas Church in Whitehaven, zum anderen der Friedhofsgarten in Bolton Percy. Beim ersten brannte die Kirche mit Ausnahme des Turms vollständig ab. Ihre steinerne Grundfläche blieb erhalten und der Kirchhof wurde in einen Garten umgestaltet. Einige ältere Grabsteine wurden an der Straßenseite neu aufgestellt. Für den Friedhofsgarten in Bolton Percy engagierte sich dagegen jahrelang Roger Brook, Dozent am Lancashire College für Landwirtschaft und Gartenbau. Er machte ihn zu einem in England weit bekannten üppigen Blumengarten, in dem auch Grabmale stehen. Das Nachleben von Friedhöfen als öffentliche Park ist dagegen wesentlich häufiger; so z.B. im Londoner Stadtteil St. Pancras, St. Andrews Gardens, wo die Grabsteine eine Mauer schmücken und die ehemalige Begräbnisfläche zu einer Wiese für Ballspiele geworden ist. Ein kurzer Exkurs führte anschließend zum Thema der „natural burials“, die in Großbritannien zunehmen. Abschließend fasste der Referent noch einmal die Paradigmen englischer Friedhöfe zusammen. Als besonders „britisch“ sah er die Nutzung von Friedhöfen als öffentliche Gärten, öffentliche Parks, Rasenflächen, Wildnis, Lebensraum für Wildtiere, sowie zum Schluss auch einfach als malerische Landschaft.
Auf Nachfrage erklärte er, dass in England die öffentlichen Freiflächen immer weniger gepflegt werden, weil die Gemeinden vom Staat nicht mehr genug Geld erhalten. Gerade im Bereich der Grünflächen würden die Angestellten immer weniger und die Pflege wird immer mehr privaten Gesellschaften übertragen. Im Endeffekt gehen durch diese Politik die öffentlichen Grünflächen verloren. Dabei könnten auf historischen Friedhöfen die Grabsteine zudem leicht abgeräumt werden. Ein in England besonders bekanntes Beispiel ist der „Westminster cemeteries scandal“, bei dem eine Politikerin drei städtische Friedhöfe für jeweils fünf Pence verkaufte. 

Cordesbrunnen mit gefährlichem Efeubewuchs
(Foto Leisner 2017)
Den Abschluss des Tages bildeten drei unterschiedliche Exkursionen, die den Friedhof als Naturoase, als Denkmal, sowie mit seinen Besonderheiten zum Thema hatten. Da man sich für eine Führung entscheiden musste, folgen hier einige Anmerkungen zu der Führung von Dr. Jens Beck, im Hamburger Denkmalschutzamt zuständig für die Gartendenkmalpflege. Er legte das Augenmerk besonders auf die pflanzliche Gestaltung des Friedhofs und das Problem der denkmalgerechten Erhaltung dieser riesigen Anlage. Dabei zeigte er zum Beispiel, wie die Grabbepflanzung im Laufe der Jahrzehnte zu hohen Bäumen aufwachsen kann, die das Grabmal sozusagen in die Zange nehmen. Auch die Wiederherstellung des Althamburgischen Gedächtnisfriedhofs in den 1990er Jahren war ebenso Thema, wie der Bewuchs mit Efeu am Cordesbrunnen an der Mittelallee, der den Sandstein durch seine giftigen Auswaschungen gefährdet, oder die mit der Denkmalpflege nicht vorher abgesprochene Neubepflanzung von Bäumen auf einer Fläche, auf der ehemals neun hohe alte Buchen standen. Sorgen macht auch der Wasserstand in den Teichen des Friedhofs. Immerhin konnte er inzwischen deutlich angehoben werden. Aber auch auf die Gestaltung des Friedhofs mit den vom ersten Friedhofsdirektor Wilhelm Cordes selbst entworfenen schmiedeeisernen Wegweisern und der zierlichen Brücke am Südteil aus demselben Material machte der Denkmalpfleger aufmerksam.

Unter dem Oberbegriff „Erinnerung und Trauer verändern sich“ waren am zweiten Tag, die beiden Soziologen Matthias Meitzler, Universität Duisburg-Essen, und Dr. Thorsten Benkel, Universität Passau, zu hören, die sich seit mehreren Jahren den sozialen Wandel der Bestattungskultur erforschen und zur Zeit am Drittelmittelprojekt „Die Pluralisierung des Sepulkralen“ an der Universität Passau arbeiten. Matthias Meitzler sprach über „Virtualität und Animalität - Grenzgebiete der Sepulkralkultur“ und befasste sich damit mit zwei Bereichen der Bestattungs- und Trauerkultur, die auf den ersten Blick eigentlich nicht viel miteinander zu tun haben. Doch handelt es sich in beiden Fällen um den Umgang mit Verlusterfahrungen und den sehr persönlichen Ausdruck von Trauer. Besitzer von Heimtieren – das können natürlich auch andere Tiere als Hunde sein – werden bei deren Tod nicht selten zu „trauernden Angehörigen“, da der Hund als „geselliges Subjekt“ eine Zeit ihres Lebens begleitet hat. Mit dem Ende dieser engen Beziehung gehen Umgangsweisen einher, die oft an die Trauer um einen menschlichen Partner erinnern. An den „individualisierten“ Ruhestätten der Tiere lässt sich die Relevanz erkennen, die das – dort sozusagen menschlich bestattete – Tier für seinen Besitzer besaß. In den letzten Jahrzehnten sind zudem immer mehr Tierfriedhöfe in Deutschland eingerichtet worden. Als neueste Entwicklung kommt die Möglichkeit zur Bestattung von Mensch und Tier in einer Grabstätte dazu. Insgesamt lässt sich an diesen Tatsachen ein deutlicher Bedeutungszuwachs des Heimtiertodes über die letzten zwanzig Jahre festgestellten. 

Während aber Tierfriedhöfe schon seit dem berühmten Pariser Cimetière des Chiens aus dem Jahr 1899 existieren, stellt das zweite Grenzgebiet der Trauerkultur eine relativ neue Entwicklung dar. Die These ist dabei, dass das Grab auf dem Friedhof an Bedeutung verlieren wird, weil es als statischer Ort kaum veränderbar ist. Dagegen können Trauerseiten im Internet immer wieder neu gestaltet und den eigenen Bedürfnissen angepasst werden und zwar nicht nur von den nächsten Angehörigen, sondern auch von Freunden und Bekannten. Trauer lässt sich dort also aktiver gestalten und weitgehender ausdrücken, als bei einem Besuch am Grab, wie der Vortragende mit Beispielen belegte. Damit kommen Trauerseiten im Internet – sogenannte Internetfriedhöfe – den Bedürfnissen gerade der der Jüngeren, die das relativ neue Kommunikationsmedium aktiv und in vielerlei Hinsicht nutzen, entgegen und spiegeln auch den Trend zur Delokalisierung, in dem Trauer ist nicht mehr an einen Ort gebunden ist. Friedhöfe sollten sich daher mit dieser Entwicklung intensiver auseinandersetzen und virtuelles Gedenken und Erinnerung in die eigenen Konzepte einbeziehen.

Im anschließenden Gespräch wurde die rechtliche Stellung von Tierbestattungen auf Friedhöfen verdeutlicht: Die „Zubestattung“ einer Tierasche zu einem menschlichen Leichnam oder dessen Totenasche wird als Grabbeigabe betrachtet und nicht als eine Bestattung im Rechtssinne. Sie ist in Form einer Urnenasche zulässig. Die Asche eines Tieres kann aber nicht eigenständig in einem Menschengrab beigesetzt werden, sondern nur im Rahmen einer menschlichen Bestattung oder nachträglich dazu.

Unter dem Titel „Die Geburt der Anfechtung aus dem Geiste der Reglementierung - Zur Ambivalenz der selbstbestimmten Trauer“ stellte Dr. Thorsten Benkel die Ausgangsfrage: Was ist der Tod? Seine Stichworte dazu reichten von „Auslagerungsgeschäft“ über den „Umweg über die Leiche“, „paradoxe Umbrüche“ und „soziale Lasten post morten“ zum „Zauber der Individualisierung“ und der Aussage, dass die Trauerkultur „unberechenbar“ wird. Zur Individualisierung führte er den schon etwas älteren Begriff der „Bastelexistenz“ ein, der kurz gefasst bedeutet, dass die alltägliche Lebenswelt des Menschen gegenwärtig in eine Vielzahl von Entscheidungssituationen zersplittert ist, für die es keine verlässlichen „Rezepte“ mehr gibt. Weil es keine oder kaum noch gesellschaftliche Festlegungen darüber gibt, „was wann wie und warum zu tun und zu lassen ist“[2] ist sowohl der Anspruch wie der Zwang dazu entstanden, das eigene Leben individuell zu gestalten. Diese Vereinzelung des Lebens spiegelt sich laut Benkel auch im Tod und auf den Friedhöfen wieder. Die beiden Soziologen haben inzwischen eine Datenbank mit über 50 000 Fotos von Grabsteinen aufgebaut, an denen sich ihrer Meinung nach diese Individualisierung ablesen lässt. An den gesammelten Grabmalen sei besonders gut zu erkennen, dass sich die Menschen kaum noch über ihren Beruf identifizieren, sondern ihre Hobbies in den Mittelpunkt stellen; laut dem Referenten ein Hinweis darauf, dass Berufe nicht mehr lebenslang gleich blieben, Hobbies schon eher.

Unter der Überschrift: „Friedhof und sozialer Wandel“ versammelte der Vortragende dann die Stichworte „Autonomie der Trauer versus kollektive Spielregeln“, „Monumente der Individualität“, „Migration von Gedenkkonzepten“ und „Ambivalenz versus Stagnation“. Dabei verwies er auf die immer häufiger artikulierte Aussage von Angehörigen, dass sie selbst entscheiden wollen, was sie auf dem Friedhof machen. Benkel definierte zugleich das Leben selbst „als den Motor für den Wandel des Todes“. Der Tod und Bestattung würden Angehörigen dabei sowohl als Verlust von Autonomie wie als Zugewinn von Regeln wahrnehmen. Menschen würden heute nicht mehr wie früher schon als Kind sondern erst als junge Erwachsene erste Trauererfahrungen machen – in der Regel beim Tod naher Angehöriger wie der Groß- oder Urgroßeltern. Die Bürokratie des Todes entferne sie dabei von einer eigenen Haltung dem Tod gegenüber. Das führe dazu, dass Alternativen gesucht werden, die man zum Beispiel im Ausland fände. Deutschland habe im Übrigen die strengsten Regelungen in Europa für Tod und Bestattung. Bei Alternativen spiele allerdings nicht nur die juristische, sondern auch die ökonomische Ebene eine Rolle und auch das Internet sei von Bedeutung, in dem sich, wie von Meitzler gezeigt, neue Trauertraditionen entwickeln. Allerdings stünden gerade der Auswanderung der Trauer in das Internet auch Nachteile gegenüber: zum Beispiel der Verlust an Gemeinschaftssubstanz und -erfahrung. So nähmen z.B. in Frankfurt heutzutage durchschnittlich nur ein bis zwei Personen an einer Trauerfeier statt. Gleichzeitig könne die Individualisierung von Abschiedsfeiern und Grabgestaltung forciert und damit zu einem neuen Zwang werden; ein Zwang, bei dem man manchmal nicht mehr wisse, was richtig oder falsch ist. Und schließlich altert natürlich auch das Neue immer wieder.

Die Geschichte der Individualisierung zeichnete der Vortragende in großem Bogen an der Geschichte der Fotografien auf Grabsteinen nach, die er an den Stichworten „visuelles Erinnerungsmedium“, „soziale und technische Innovation“ und „Repräsentation des Körpers“ festmachte.

Grabmal mit Foto auf dem Ohlsdorfer Friedhof
(Foto Leisner 2017)
Kursorisch ging er darauf ein, dass es schon im 19. Jahrhundert die Totenfotografie und die Repräsentation der Verstorbenen auf Grabsteinen gegeben hat. Anzumerken ist, dass die Porzellanfotos auf den einfachen Grabmalen um 1900 außerordentlich weit verbreitet waren und damit auch damit schon Grabsteine individuell ausgestaltet wurden. So wie damals beziehen sich auch heute die Fotos auf Grabsteinen auf das Leben zurück und halten die Toten im Andenken der Trauernden lebendig. Fazit und Schlusswort des Vortrags war der Wunsch, dass Friedhöfe sich mit den Interessen der Hinterbliebenen so verbinden sollten, dass er als gemeinsamer Ort der Bestattung, Trauer und Erinnerung nicht verloren gehe.

Im anschließenden Gespräch wurde nach dem Widerspruch zwischen anonymer Bestattung – zum Beispiel auch auf Bestattungsplätzen im Wald – und dem zunehmenden Wunsch nach Individualität gefragt. Dazu stellte der Vortragende die interessante These auf, dass Bestattungswälder in Zukunft eher stagnieren, als sich weiter ausbreiten würden. Der Behauptung der zunehmenden Individualisierung wurde entgegen gehalten, dass gerade die Friedhöfe Orte einer Gegenbewegung hin zum Allgemeinen sind, indem sie den Hinterbliebenen beim Grabbesuch die Erfahrung vermitteln, dass der Tod nicht sie allein, sondern jeden betrifft. Hingewiesen wurde zugleich darauf, dass heutige Grabsteine in ihrer sehr persönlichen Gestaltung sich nicht unbedingt als Indikator für eine steigende Tendenz zur Individualisierung eignen, da zum Beispiel die Grabstätten und Erinnerungsmale um die Jahrhundertwende wesentlich persönlicher und mit höherem Aufwand gestaltet worden sind. Den Einwand, dass es sich dabei um großbürgerliche Grabstätten handelte, kann man nicht gelten lassen. Historisch lässt sich, wie gesagt, nachweisen, dass auch kleine Grabmale bis zum Ersten Weltkrieg mit persönlichen Zeichen ausgeschmückt wurden, wie z.B. mit den schon genannten Porzellanfotos. In der Stellungnahme wurde dann weiter ausgeführt, dass erst die beiden Weltkriege mit ihren unzähligen Toten diese Tradition unterbrachen und das Gedenken „entindividualisierten“. Für die Rückkehr zur individuelleren Grabmalgestaltung seit den 1990er Jahren wurde deshalb der Begriff „Biografisierung“ vorgeschlagen und mit Applaus von den Teilnehmern bekräftigt.

Planung für Ohlsdorf 2050 (Foto Leisner 2017)
Der letzte Themenbereich der Tagung stand dann ganz unter dem Obertitel „Aufbruch in Ohlsdorf“. Als erstes stellte Dipl.-Ing. Dirk Christiansen die „Nachhaltigkeitsstrategie Ohlsdorf 2050“ vor. In einem Rückblick betonte er, dass man vor einer neuen Situation stehe. Zu den Zeiten der beiden ersten Friedhofdirektoren, Wilhelm Cordes und Otto Linne, sei man sicher gewesen, dass der Friedhof weiter wachsen werde, nun stehe man erstmals vor einer gegenteiligen Entwicklung. Grundlage für die zukünftige Planung, die eher eine unscharfe und anpassungsfähige Strategie zu nennen sei, waren verschieden Analysen des Friedhofs auf der Grundannahme des verringerten Flächenbedarfs. Es ging dabei um Themen wie Natur, Wasser, Hochbauten, Verkehr und Machbarkeit. Unterteilt wurde die Anlage in der Folge in verschiedene Bereiche, die Labels wie "intensiver Friedhof" und "extensiver Friedhof", sowie "intensiver bzw. extensiver „Friedhofspark", sowie Sonderanlagen erhielten. Deutlich wurde dabei die flächendeckende Belegung des Friedhofs mit Grabstätten. Diese sind daher immer auch von Veränderungen betroffen, so dass für die Zukunft keine Konzentration von Grabstätten in einem einzigen Bereich möglich erscheint. In einem Exkurs erläuterte der Referent kurz die zum Vergleich herangezogenen in- und ausländischen Friedhöfe, von denen allerdings keiner die schiere Größe von Ohlsdorf erreicht.

Für die Zieldiskussion wurden die folgenden acht Thesen aufgestellt: "Ohlsdorf lebt im Gartendenkmal; bleibt Friedhof; schafft Möglichkeitsräume für die Bestattungskultur; verbindet die Stadtgesellschaft als Begegnungsraum für alle Generationen; vernetzt sich mit der Stadt; stärkt Natur- und Erholungsräume; investiert in die nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftsstandortes; profiliert seine Marke – lokal, regional, international". Auf ihrer Grundlage wurde die Frage gestellt, was innerhalb des Friedhofs erlaubt und was nicht erlaubt sein sollte. Als Alleinstellungsmerkmal gilt dabei die besondere Qualität des Friedhofs für die Stadtgesellschaft, die zum Beispiel im Weitererzählen von Geschichten besteht. Dieses soll durch „Kraftzentren“ gestärkt werden. Das ist eine neue Bezeichnung für die Hochbauten – zum größten Teil Kapellen –, die für den Beerdigungsbetrieb nicht mehr gebraucht werden. Sie sollen zu Werkstätten für Geschichte, Kultur- und Erlebnisse, Natur- und Umweltbildung und zu Orten der Unterbringung/Beherbergung werden. Innovativ sollen dazu Veranstaltungen und extensive landschaftsräumliche Friedhofbereiche kommen.

Es hat sich eine Planung heraus kristallisiert, die besonders den historischen Waldteil und denkmalwerte Anlagen, wie das Band der Mausoleen am Nordrand des Friedhofs und den sogenannten Millionenhügel mit angrenzendem Nordteich, als zukünftige Parkbereiche miteinander verbindet und die übrigen Flächen für den Friedhofsbetrieb vorsieht. Wenn Veränderungen im Bestand umgesetzt werden, ist eine Grundvoraussetzung, dass sie früh angekündigt und offen diskutiert werden. Das ist besonders wichtig, wenn es um Sperrungen für Umgestaltungen von Beerdigungsflächen geht. Als Möglichkeiten für solche Umgestaltungen wurde zum Beispiel die Veränderung zu Wiesen und Weiden – auch zum Beispiel als Pferdekoppel –, zu Obstwiesen, zum Waldpark, Wildpark oder Naturwald oder zur aquatischen Wildnis genannt.

Teilnehmer der Tagung vor Kapelle 3
(Foto Leisner)
Entwickelt wurde ein Handlungs- und Maßnahmenkonzept mit Schlüsselmaßnahmen und Sofortmaßnahmen. Zu den Ersteren zählen die Aufwertung der Eingänge und die Verringerung des Durchgangsverkehrs. Eine Strategie im Bereich der Sofortmaßnahmen zielt darauf verschiedene Bereiche als Referenzflächen für zukünftige Maßnahmen umzugestalten. Für neun Projekte sind die erforderlichen Fördermittel bereits bewilligt. Es handelt sich dabei um den Bau einer Referenzfläche für künftige Friedhofsnutzung  in Form einer Grabanlage mit Naturbezug; eines Bereichs als „Friedhofspark für zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten“; um bauliche Veränderungen an ausgewählten Kapellen zur Erhaltung und Ermöglichung neuer Nutzungen, sowie ein Nachnutzungskonzept für die Kapellen 1,3, und 6. Außerdem soll eine große Regenwasserleitung an der Fuhlsbüttler Straße saniert und ein direkter Zufluss in die Alster hergestellt werden. Das Brauchwasserkonzept soll so umgesetzt werden, dass Regenwasser zur Bewässerung von Pflanzungen und Bäumen dient. Als Referenzfläche für die Wiederherstellung trockengefallener Gewässer wurde die Senke vom Riedemann-Mausoleum bis zur Gedenkstätte für nicht bestattete Kinder ausgewählt. Die Friedhofseingänge an der Fuhlsbüttler Straße sollen baulich verbessert werden. Für den Friedhof als Gartendenkmal soll ein Konzept entwickelt werden, das bestimmt, welche Fläche in welcher Qualität erhalten, nach alten Plänen wiederhergestellt bzw. weiterentwickelt wird. Daneben wurde auf die in einem Beteilungsmodell entwickelten Bürgerprojekte für den Friedhof hingewiesen, die allerdings nicht Thema dieses Vortrags waren.

Bei der anschließenden Frage nach der Nachhaltigkeit des Konzeptes wurde darauf hingewiesen, dass die Planung in die Zukunft immer offen für neue Entwicklungen sein müsse und die aktive Stadtgesellschaft selbst am meisten von der Friedhofsgestaltung profitiere.

Heutige Ausmalung der Kapelle 3 (Foto Leisner)
Als letzte sprach die Restauratorin Inka Hansen über „Die Kapellen des Ohlsdorfer Friedhofes – Forschungsergebnisse zur Baugeschichte und zur farblichen Ausgestaltung“. Ihr Büro war mit der Untersuchung der Baugeschichte aller elf Kapellenbauten und der beiden Remisen auf dem Betriebshof des Friedhofes betraut. Ziel war es die historische Farbgestaltung aufzufinden, damit diese Ergebnisse in die Umnutzung eingebracht werden können. Entstanden ist ein Bericht mit der Planungsgeschichte der Kapellen, die als neuer Bautyp mit dem Prinzip des Durchgangsraumes angesprochen wurden. Wobei anzumerken ist, dass dieser Bautyp schon bei den Kapellenbauten der alten Friedhöfe vor dem Dammtor vorherrschte. Heute allerdings sind die ehemals als Durchgangsräume gestalteten Kapellen auf einer Seite verschlossen und auch die ehemals vorhandenen Aufbahrungsräume direkt neben den Feierhallen gibt es so nicht mehr. Die Farbuntersuchung zeigte besonders in der Kapelle 3 einen interessanten Befund, da dort die ursprüngliche Ausmalung unter der heutigen Farbe in Teilen noch vorhanden ist.

Über diese Befunde konnte man sich bei der anschließenden Busfahrt über den Friedhof selbst ein
Am Inselteich im Linneteil des Ohlsdorfer Friedhofs
(Foto Leisner)
Bild machen. Die Fahrt führte unter dem Titel „Kapellen auf der Suche nach der neuen Nutzung – Ortstermin“ über den Friedhof zu drei Kapellen. Bei Kapelle 3 erlebten die Teilnehmer die Klanginstallation „Raumfarben 07“ von Sam Auinger. In Kapelle 1 sahen sie eine Fotoausstellung des Naturschutzbundes über Vögel und Fledermäuse auf dem Friedhof. Nach einer Rundfahrt über den Friedhof mit Halt beim Inselteich im Linneteil, wo der Eisvogel nistet, fand die Tagung dann einen heiteren Ausklang in Kapelle 6, wo nicht nur große Graffitis mit Themen des Ohlsdorfer Friedhofs ausgestellt waren, sondern auch eine Stärkung wartete; ein lockerer und überraschender der zweitägigen Veranstaltung, die nicht nur Aufschluss über die Entwicklung des Projektes "Ohlsdorf 2050", sondern auch mannigfaltige Anregungen und einen lebhaften Austausch unter den Teilnehmern gebracht hat.

Anmerkungen:
[1] Otto Gerhard Oexle, Memoria als Kultur der Erinnerung. In: Memoria als Kultur. Göttingen 1995, S. http://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/a/a119817.pdf (zuletzt besucht: 5.5.2017)

[2] Hitzler, Ronald; Honer, Anne: Bastelexistenz: über subjektive Konsequenzen der Individualisierung. In: Beck, Ulrich (Ed.); Beck-Gernsheim, Elisabeth(Ed.): Riskante Freiheiten: Individualisierung in modernen Gesellschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1994, S. 307-315. URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-56024 (zuletzt besucht 5.5.2017)